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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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endlich konnten auch die von Ferdi so verlockend geschilderten Köstlichkeiten hervorgezaubert werden, von denen Herrn Ess’ Taschen sich beulten. Als er behutsam den ersten kleinen grauen Gegenstand hervorzog und in ein Glas mit Wasser fallen ließ, vergaß er wieder einmal, daß er alt und müde war. »Der geborene Großvater«, neckte Dr. Kösters, »seht euch nur mal die strahlenden Augen an. Das ist ja ansteckend .«
    Seine phantasievolle Freude war tatsächlich ansteckend. Er schüttelte das Glas leicht, sah die Kinder geheimnisvoll an und raunte: »Gut aufpassen!«, bis auch die Erwachsenen aufgestanden waren und über die Kinderköpfe weg auf das Glas schauten, als hätten sie noch niemals eine Wunderblume aufgehen sehen. Der kleine graue Gegenstand war eine Muschel, die sich im Wasser öffnete und aus der mit köstlicher Langsamkeit und in glitzernder Verästelung ein zartes Gewächs emporblühte, bis es das Glas ganz ausfüllte.
    Aus der nächsten Muschel wirbelte bunter Schnee hoch; aus der dritten entfaltete sich ein hauchdünnes Papierhäuschen, aus der vierten schwammen Fische. Und jedesmal zögerte Herr Ess einen Augenblick, ehe er die Muschel ins nächste Wasserglas gleiten ließ, und alle hielten den Atem an vor Spannung, was diesmal wohl darin sein würde.
    Dann lehnte er sich zurück und entzündete mit nervenkitzelnder Umständlichkeit winzige japanische Feuerwerkshölzchen. Bei den einen sprühten rote Sternchen auf, bei anderen blaue Bälle, grüne Ähren; quittegelbe Pfeile schossen bis zu den Rosen hin; und dann waren die Sternchen silbern und die Bälle rot, und die Pfeile blitzten grün und blau.
    Andreas’ Augen glänzten wie schwarze Kirschen, als er unverwandt zusah und zum Glas griff und von der süßen Bowle trank. Don Chaussee lehnte an der Brüstung. Vom Schatten halb verschluckt, beobachtete er die Kinder. Ihm war nicht, wie sonst in munterer Gesellschaft, nach einem aufschneiderischen »Garn« zumute. Mehr als alles fesselte es ihn, die Gesichter zu betrachten, die sich, solange er sie nun kannte, ständig änderten. Andreas’ ausdruckslose, gleichgültig-teilnahmslose Miene — wie verwandelt war sie! Die Kletten mußten die Augen krampfhaft aufreißen vor lauter Müdigkeit, aber wie glühten die sonst so blassen Bäckchen! Hubert hatte den Igel auf dem Schoß (ein ungewöhnlich menschenfreundliches Exemplar, denn es schlief friedlich an diesem für einen Igel recht seltsamen Platz); die Jungenaugen unter dem verstrubbelten roten Schopf flitzten hellwach hinter jedem Feuerwerkssternchen her. Leo sah man deutlich an, daß ihm der Tag ein gerüttelt Maß an Unbegreiflichem beschert und er auch die aufgesprungene Oberlippe etwas zu gründlich mit Bowle gekühlt hatte. Vor seinen kleinen Äuglein verschwamm das Feuerwerk zu einem Regenbogen. Gerda, schließlich doch wieder zugelassen, versuchte eine Zeitlang vergebens, blasiert zu tun. Sooft sie diese harmlosen Dinge gesehen haben mochte: In dieser Stunde, dieser Laube aus Licht blieb auch ihr nur selbstvergessenes Entzücken. Franziska benahm sich unentwegt »fein« und machte mit gespitztem Mund, das ; Bowleglas zwischen zwei Fingern jonglierend und die übrigen zierlich gespreizt, nach jedem Aufzischen giggelnd »huch«, bis die Försterin neben ihr unwillig aufsah und, nach einem Blick in die strahlend-glücklichen Kuhaugen, irritiert wegsah. Don Chaussee lachte leise vor sich hin.
    Allein Änne kräuselte verächtlich ihre Lippen. War es echt? War es nur vorgeblendet? Don Chaussee wiegte ungewiß den Kopf. Änne war sicher am schwierigsten. Sie allein verschloß sich ihm wie am ersten Tag; sie war heimtückisch und falsch und verschwiegen. Nirgends zeigte sich ein Ansatzpunkt, über den man ihr näherkommen konnte: keine Liebhaberei, keine heimliche Sehnsucht, kein Verlangen nach Wärme. Das angesägte Geländer fiel ihm ein, doch schob er den Gedanken weg. Manche Dinge muß man überschlafen. Er sah wieder auf die anderen. Auch sie waren nur gegen ihren Willen so zahm, überrumpelt von der Fremdartigkeit der Vorgänge und vor Herrn Ess’ phantasiesprühender Spielerei; darüber gab er sich keinen Illusionen hin. Und doch, und doch, zeigte es nicht auch, wie sie sein konnten? Und wie sie sein würden, eines Tages, mit Gottes Hilfe und viel Geduld?
    »So !« sagte Herr Ess vergnügt. »Einen tiefen Schluck noch und dann, dann...«, er wedelte verheißungsvoll mit dem Zeigefinger, die Augen hinter den funkelnden Brillengläsern

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