13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
durch das Dorf. Reitet Ihr voran!“
Er tat es. Ihm folgten die drei Araber, und ich machte den Schluß. Wir kamen zwischen unserer verlassenen Wohnung und den beiden Häusern, aus denen man auf uns geschossen hatte, hindurch, und meine Voraussetzung traf wirklich ein: – es fiel kein einziger Schuß auf uns. Aber wir waren noch gar nicht weit gekommen, so erhoben sich hinter uns laute Rufe. Jetzt gaben wir den Pferden die Sporen und jagten zum Dorf hinaus.
Hier sahen wir, daß die sämtlichen Pferde des Dorfes sich auf der Weide befanden. Sie grasten in ziemlicher Entfernung von dem Dorf, so daß wir hoffentlich einen guten Vorsprung gewannen, ehe sie von ihren Reitern bestiegen werden konnten.
Der Weg ging durch ebenes, aber wohl bewässertes Land, welches uns Gelegenheit gab, die Schnelligkeit unserer Pferde vollständig zur Entfaltung zu bringen; nur nicht in Beziehung auf meinen Rappen, der verlangend in die Zügel knirschte und doch gezügelt wurde, weil sonst die anderen weit zurückgeblieben wären.
Endlich bemerkten wir hinter uns eine breite Linie von Reitern, welche uns verfolgten.
Mohammed Emin warf jetzt einen besorgten Blick auf das Pferd, welches sein Sohn ritt, und sagte: „Wenn wir dieses Pferd nicht hätten, so würden sie uns wohl nicht erreichen.“
Er hatte recht. Es war das beste Pferd, welches in Amadijah überhaupt zu bekommen gewesen, und dennoch hatte es einen harten Gang und eine so mühsame Atmung, daß es bei einem langen Schnellritt sicherlich sehr bald zusammengebrochen wäre.
„Sihdi“, fragte Halef, „du willst keinen Kurden töten?“
„So lange es zu vermeiden ist, nein.“
„Aber auf ihre Pferde können wir doch wohl schießen?“
„Es wird uns nichts anderes übrigbleiben.“
Er nahm seine lange, arabische Flinte von der Schulter und sah nach dem Schloß. Auf fünfhundert Schritt Entfernung hatte er mit diesem Gewehr sein Ziel noch nie verfehlt, und meine Büchse trug noch weiter.
Die Verfolger kamen uns immer näher. Ihr lautes Geschrei klang ganz anders als dasjenige, welches man bei einer Phantasia, einem Dscheridwerfen, einem Scheingefecht zu hören bekommt: sie machten Ernst. Einer ritt allen andern voran. Sie näherten sich auf vielleicht fünfhundertfünfzig Schritt; er aber jagte näher, hielt sein Roß an, zielte und schoß. Dieser Mann besaß eine gute Flinte. Wir sahen ganz in unserer Nähe von einem Stein, welchen die Kugel getroffen hatte, einige Splitter abfliegen. Es war ein noch junger Kurde, vielleicht der Bluträcher.
„Well!“ meinte der Engländer, indem er seine Büchse nahm und das Pferd herumwandte; „geh herunter, Boy!“
Er legte an und drückte ab. Das Pferd des Kurden tat einen Satz, taumelte und brach zusammen.
„Kann nach Hause gehen! Yes!“
Diesem kaltblütigen, sicheren Schuß folgte ein lautes Schreien der Kurden. Sie hielten an und sprachen miteinander, folgten uns aber alsbald wieder nach. In kurzer Zeit erreichten wir einen breiten Bach, über den es keine Brücke gab. Er war reißend und tief, so daß wir eine Stelle suchen mußten, an welcher der Übergang sich am besten bewerkstelligen ließ. Dies gab uns natürlich Blößen. Die Kurden hielten. Einige von ihnen aber ritten etwas vor, saßen ab und stellten sich hinter ihre Pferde. Wir sahen, daß sie die Läufe ihrer Flinten über die Rücken ihrer Pferde legten.
Schnell waren wir auch von unseren Tieren und taten dasselbe. Einen Augenblick nach ihren Schüssen – nur ich schoß noch nicht – krachten auch die unserigen, welche zeigten, daß wir die besseren Schießeisen besaßen. Von unseren vier Schüssen erreichten drei ihr Ziel, während nur eine einzige Kurdenkugel das Pferd des Engländers am Schwanz gestreift hatte. Lindsay schüttelte den Kopf.
„Haben schlechte Begriffe!“ meinte er. „Miserable Begriffe! Wollen ein Pferd von hinten erschießen! Kann nur Kurden passieren!“
„Sucht eine Furt!“ riet ich nun. „Halef und ich werden die Kerle in Respekt halten!“
Die Besitzer der getroffenen Pferde waren eiligst zu den Ihrigen zurückgekehrt. Zwei aber hielten noch stand. Ich sah, daß sie wieder luden.
„Sihdi, schieße nicht“, bat Halef. „Laß mir allein die Ehre!“
„Gut so!“
Er lud seinen abgeschossenen Flintenlauf wieder und legte an. Gleichzeitig mit ihren Schüssen ließ er auch zweimal hintereinander krachen. Der kleine Hadschi hatte ganz gut getroffen. Eines der Pferde brach an Ort und Stelle zusammen – er hatte es
Weitere Kostenlose Bücher