13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Störung, und am Morgen erhielten wir abermals ein Lamm, welches wie das am vorigen Abend zubereitet wurde. Dann kam der Melek herbei, um uns zum Aufbruch aufzufordern. Schon während der Nacht waren einige Gruppen der Chaldäer aufgebrochen, und so war unsere Begleitung nicht so zahlreich wie am vorigen Tag.
Wir ritten vom Abhang des Gebirges in das hier sehr breite Tal des Zab hernieder. Fruchtfelder gab es hier gar nicht. Höchstens sah man in der Nähe eines einsamen Weilers ein wenig Gerste ihren Halm erheben. Der Boden ist außerordentlich fruchtbar, aber die ewige Unsicherheit benimmt den Bewohnern die Lust, eine Ernte für ihre Feinde heranzuziehen.
Dagegen kamen wir an prächtigen Eichen- und Walnußwäldern vorüber, die hier in einer Kraft und Frische gediehen, wie sie sonst nicht häufig anzutreffen ist.
Wir hatten eine Vor- und Nachhut und wurden von dem Haupttrupp ringsum eingeschlossen. Mir zur Rechten ritt der Bey, und zur Linken der Melek. Dieser aber sprach nur wenig; er hielt sich bei uns jedenfalls nur des Beys wegen auf, welcher ein sehr kostbarer Fang für ihn war und den er nicht aus dem Auge lassen wollte.
Höchstens eine halbe Stunde hatten wir noch bis Lizan zu reiten, als uns ein Mann entgegen kam, dessen Gestalt sofort in die Augen fallen mußte. Er war von einem wirklich riesigen Körperbau, und auch sein kurdisches Pferd gehörte zu den stärksten, die ich jemals gesehen hatte. Bekleidet war er nur mit weiten Kattunhosen und einer Jacke aus dem gleichen leichten Stoff. Ein Tuch bedeckte anstatt des Turbans oder der Mütze seinen Kopf, und als Waffe diente ihm eine alte Büchse, welche jedenfalls nicht orientalischen Ursprungs war. Hinter ihm ritten in ehrerbietiger Entfernung zwei Männer, die im dienstlichen Verhältnis zu ihm zu stehen schienen.
Er ließ die Vorhut an sich vorüber und hielt dann bei dem Melek an. „Sabbah'l ker – guten Morgen!“ grüßte er mit volltönender Baßstimme.
„Sabbah'l ker!“ antwortete ihm auch der Melek.
„Deine Boten“, fuhr der Ankömmling fort, „sagten mir, daß ihr einen großen Sieg errungen habt.“
„Katera Chodeh – Gott sei Dank, so ist es!“
„Wo sind deine Gefangenen?“
Der Melek deutete auf uns, und der andere musterte uns mit finsteren Blicken. Dann fragte er:
„Welcher ist der Bey von Gumri?“
„Dieser.“
„So!“ sagte gedehnt der Riese. „Also dieser Mann ist der Sohn des Würgers unserer Leute, der sich Abdel-Summit-Bey nannte! Gott sei Dank, daß du ihn gefangen hast! Er wird die Sünden seines Vaters zu tragen haben.“
Der Bey hörte diese Worte, ohne sie einer Entgegnung zu würdigen; ich aber hielt es nicht für geraten, diesem Mann eine falsche Vorstellung von uns zu lassen. Darum wandte ich mich nun an den Anführer mit der Frage:
„Melek, wer ist dieser Bekannte von dir?“
„Es ist der Raïs (Oberhaupt) von Schohrd.“
„Und wie heißt er?“
„Nedschir-Bey.“
Das Kurmangdschi-Wort Nedschir bedeutet: ‚tapferer Jäger‘, und da sich der Riese zugleich den für einen Chaldäer so ungewöhnlichen Titel ‚Bey‘ zugelegt hatte, so war sehr leicht zu erraten, daß er keinen gewöhnlichen Einfluß besitzen müsse. Dennoch aber sagte ich ihm:
„Nedschir-Bey, der Melek hat die Wahrheit nicht vollständig gesagt. Wir sind –“
„Hund!“ unterbrach er mich drohend. „Wer redet mit dir? Schweige, bist du gefragt wirst!“
Ich lächelte ihm sehr freundlich in die Augen, zog aber dabei mein Messer recht auffällig aus dem Gürtel.
„Wer gibt dir die Erlaubnis, die Gäste des Melek Hunde zu nennen?“ fragte ich ihn.
„Gäste?“ sagte er verächtlich. „Hat der Melek nicht soeben euch seine Gefangenen genannt?“
„Eben darum wollte ich dir sagen, daß er dir die Wahrheit nicht vollständig mitgeteilt hat. Frage ihn, ob wir seine Gäste oder seine Gefangenen sind.“
„Seid, was ihr wollt; gefangen hat er euch dennoch. Aber stecke dein Messer in den Gürtel, sonst schlage ich dich vom Pferd!“
„Nedschir-Bey, du bist ein sehr spaßhafter Mann; ich aber bin sehr ernst gestimmt. Sei in Zukunft höflich gegen uns, sonst wird sich zeigen, wer den andern vom Pferd schlägt!“
„Hund und abermals Hund! Da hast du es!“
Bei diesen Worten erhob er die Faust und versuchte, sein Pferd an das meinige zu drängen; aber der Melek hielt ihm bei dem Arm fest und rief:
„Beim heiligen Jesujabos, halte ein, sonst bis du verloren!“
„Ich?“ rief der Riese ganz
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