13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
Nun tue du auch das Deinige und lies die Sorten wieder auseinander! Ich werde bald nachsehen, ob es geschehen ist, und dann mein Urteil sprechen.“
Sie öffnete den Mund, um mir mitzuteilen, daß sie gesonnen sei, Einspruch oder Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben, doch Halef kam ihr zuvor:
„Das muß aber schnell geschehen, denn wir brauchen den Kaffee sehr notwendig!“
„Warum?“ fragte ich.
„Du hast ja Gäste oben!“
„Wen?“
„Drei Kurden, welche auf dich warten. Derjenige, welcher dich bereits besuchte, ist dabei.“
„So hole einstweilen rasch andern Kaffee!“
Ich stieg hastig die Treppe empor, denn die zwei andern Kurden konnten doch wohl nur die beiden Gefangenen sein. Diese Vermutung bestätigte sich. Als ich eintrat, erhoben sie sich, und Dohub sprach:
„Hier ist der Emir, der euch gerettet hat! O Effendi, der Mutesselim hat deine Worte gelesen und mir den Vater und den Bruder zurückgegeben!“
„Sagtest du ihm, daß du bald nach Mossul gehen würdest?“
„Ja. Dein Rat war gut, denn der Kommandant wurde sofort freundlicher, und als ich ihm deinen Brief gab, ließ er Selim Agha rufen, der die Gefangenen bringen mußte.“
„Wie ist es mit dem Zoll und der Strafe?“
„Er hat uns alles erlassen, aber das Pulver und Blei erhielten wir nicht zurück. Emir, sage uns, wie wir dir danken sollen!“
„Kennst du den Nezanum von Spandareh?“
„O, sehr gut! Seine Tochter ist das Weib unseres Bey, und er kommt sehr oft nach Gumri, um beide zu besuchen.“
„Er ist auch mein Freund. Ich war bis heute früh bei ihm, und er bat mich, den Bey zu besuchen, wenn ich nach Gumri komme.“
„Komm, Herr, komm zu uns. Dein Empfang soll besser sein, als wenn der Mutesselim oder der Mutessarif käme!“
„Ich werde vielleicht kommen; aber bis dahin dürften wohl noch einige Tage vergehen. Der Nezanum hat mir ein Paket übergeben, welches ich dem Bey überreichen sollte. Es darf nicht lange hier liegen bleiben, und darum bitte ich euch, es mit nach Gumri zu nehmen. Grüßt mir den Bey und sagt ihm, daß ich sein Freund sei und ihm alles Glück und Gute wünsche!“
„Das ist die Botschaft, die du uns aufzutragen hast?“
„Ja.“
„Es ist zu wenig, Herr!“
„Vielleicht könnt ihr mir später eine Liebe erweisen.“
„Wir tun es. Komm nur und befiehl, was du von uns wünschest!“
„Würdet ihr einem Freund von mir Schutz gewähren, wenn er von dem Mutesselim verfolgt wird und sich zu euch flüchtet?“
„Der Kommandant würde ihn nie zu sehen bekommen!“
Ich wandte mich zu dem älteren der beiden andern, denen man die Entbehrungen anmerkte, denen sie während ihrer Gefangenschaft unterworfen waren.
„Wißt ihr, wer mit euch gefangen war?“
„Nein“, antwortete er. „Ich stak in einem finsteren Loch, welches nur ganz wenig Licht erhielt, und ich konnte weder etwas hören, noch etwas sehen.“
Seinem Sohn war es ebenso ergangen.
„Ist der Sergeant, der euch bewachte, ein böser Mann?“
„Er hat nie mit uns gesprochen. Die einzige menschliche Stimme, welche wir zu hören bekamen, war diejenige des alten schmutzigen Weibes, welches uns das Essen brachte.“
„Wie sind die Wege von hier nach Gumri?“
„Du mußt zunächst in das Tal von Berwari hinab, und zwar auf einem Pfad, der so steil und gefährlich ist, daß man nicht reiten kann, sondern die Pferde am Zügel führen muß. Das Tal ist reich von Eichen bewaldet und enthält Dörfer, welche teils von Kurden und teils von nestorianischen Chaldäern bewohnt werden. Auch durch die dürre Ebene wirst du kommen, welche wir Newdascht nennen und in der das kurdische Dorf Maglone liegt; dann erreichst du den kurdischen Weiler Hajis, in welchem nur einige arme Familien wohnen. Du mußt über viele Gewässer hinweg, die alle dem Zab zufließen, und erblickst Gumri schon von weitem, da es auf einem hohen Felsen erbaut ist, welcher ganz allein in der Ebene steht.“
Nach diesen und anderen notwendigen Erkundigungen lud ich sie zum Essen ein. Die beiden frei gewordenen Gefangenen langten mit einem Heißhunger zu, der mich wohl erkennen ließ, wie besorgt die alte Mersinah um das leibliche Wohl ihrer Pfleglinge sei. Halef brachte auch Kaffee, ein Getränk, welches die Kurden am schmerzlichsten vermißt hatten, ganz ebenso wie den Tabak, den sie nachher rauchten.
Endlich brachen sie auf, eben als Selim Agha eintrat, um mir zu sagen, daß der Mutesselim bereit sei, mich zu empfangen. Sie nahmen einen herzlichen Abschied
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