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13 kleine Friesenmorde

13 kleine Friesenmorde

Titel: 13 kleine Friesenmorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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dem Munde des alten Pastors die Namen der Soldaten erfuhren, die für »Volk und Vaterland« draußen an schwer aussprechbaren Frontabschnitten als Bürger des kleinen Feriendorfes ihr Leben gelassen hatten.
    Die Anzahl der Witwen und Waisen stieg bedrohlich an. Lang ist die in Stein geschlagene Liste mit den Namen der Gefallenen der beiden Weltkriege, derer zu gedenken das Mahnmal an der Hauptstraße den Gast auffordert.
    Doch da gab es auch Erinnerungen an fröhliche Ereignisse, an die sich Jakoba gern erinnerte. Dazu zählte die Herstellung von Karamellbonbons in der Pfanne auf dem Herd, wenn Mama Zucker und Milch abzweigen konnte; das Schnibbeln der Bohnen, die für die Vorratshaltung in Steinbottiche eingelegt wurden. Und erst recht die Spielchen mit den Nachbarskindern im Wald. Sie hatten Bunker gebaut, Verstecke gesucht, sie mit Reisig bedeckt und ausgelassen Onkel Doktor gespielt, harmlos in geflickter Wäsche.
    Am Martinsabend zogen sie mit ausgehöhlten Rüben zu den Bauern, bekamen für ihre nicht mehr in die Zeit passenden Liedchen vom »Guten Mann« Wurstzipfel und Schmalzbrote.
    Vater Kuno Boomfalk überlebte den Krieg, die Zeiten besserten und normalisierten sich. Jakoba besuchte nach dem Abschluss der Volksschule die Handelsschule in Norden. Zur Konfirmation bekam sie von den Eltern ein Fahrrad geschenkt, das sie unabhängig von der schlechten Busverbindung machte.
    Nach dem erfolgreichen Abschluss der Handelsschule begann Jakoba am Kreiskrankenhaus in Norden eine Ausbildung zur Krankenschwester, machte ein gutes Examen und ging voll im erlernten Beruf auf.
    Papa und Mama führten die Gärtnerei mit viel Elan zu steigenden Umsätzen mit entsprechenden körperlichen Anstrengungen.
    Bruder Alrich zeigte keine Neigungen, den elterlichen Betrieb zu übernehmen, er besuchte in Oldenburg die Ingenieursschule mit Erfolg und, das sei bereits hier erwähnt, schied nach nur einem Jahr als Bauingenieur bei der Firma Gebrüder Neumann, Norden, aus und folgte seiner Freundin Pamela Anderson, einer Germanistikstudentin, nach Perth in Australien.
    Um Jakoba Boomfalk buhlten einige Söhne der reichen Bauern, von denen die hübsche Krankenschwester nichts wissen wollte.
    An einem Samstagabend Mitte Mai 1957 entschloss sich Jakoba Boomfalk zu einem Spaziergang in den Berumerfehner Wald, um ein wenig Abstand von ihrem Dienst, erst recht von der bedrückenden Stimmung im Elternhaus zu nehmen.
    Eigentlich gab es einen Grund zum Feiern. Ihr Bruder Alrich hatte aus Perth, Australien, angerufen. Er war Vater geworden. Er und seine Frau wollten den Jungen auf den Namen des Großvaters taufen lassen. Doch die Freude hielt sich in Grenzen.
    Jakobas Vater, der leidenschaftliche Kettenraucher, bereitete ihnen Sorgen. Er litt häufig unter Atemnot, hustete viel und spuckte unentwegt, lehnte den Besuch eines Arztes jedoch strikt ab. Bereits im Januar hatte er die Leitung seiner Gärtnerei seinem knapp 40-jährigen Meister Uwe Riemers anvertraut und spielte mit dem Gedanken, den Betrieb an ihn zu verkaufen. Immerhin beschäftigte Papa neben dem Meister noch fünf Gesellen und einen Lehrling.
    Papa sprach von dem Erwerb einer geräumigen Eigentumswohnung in Norddeich, weil die frische, pollenfreie Seeluft ihm gut bekam.
    Jakoba Boomfalk schritt tief in Gedanken über den Waldweg am Moorkanal entlang. Die Luft war nach einem sonnigen Tag mild. Die Bäume trugen keimendes Laub. Der aufgebriste Abendwind fuhr durch Baumkronen. Dabei näherte sie sich einer Ruhebank, auf der ein junger Mann saß. Er trug Jeans, ein buntes Oberhemd und eine rehbraune Wildlederjacke. Sein Haar war blond und lockig. Er hatte das rechte Bein angezogen, die Jeans bis zum Knie hochgeschoben, die Socke ausgezogen und sie in den Schuh gesteckt, der vor ihm auf den Boden stand.
    Der junge Mann hatte ein gut geschnittenes schmales, sonnengebräuntes Gesicht und blickte Jakoba mit einem verlegenen Lächeln an.
    »Sind Sie von hier, Fräulein?«, fragte er im rheinischen Tonfall.
    »Ja«, antwortete sie distanziert, errötete leicht, als sich ihre Blicke kreuzten.
    Auch sie trug ihre Jeans an diesem Abend und über ihrer weißen Bluse ein kragenloses Trachtenjäckchen.
    »Gibt es hier Zecken?«, fragte der junge Mann undzeigte auf eine gerötete Hautstelle oberhalb des Fußgelenks. »Vielleicht war es nur eine Mücke«, fügte er hinzu. Er fuhr mit dem Zeigefinger der rechten Hand über die leichte Schwellung.
    »Unsere Zecken sind im Gegensatz zu ihren Geschwistern

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