13 kleine Friesenmorde
im süddeutschen Raum ungefährlich«, antwortete Jakoba, neigte sich vor und betrachtete die harmlos aussehende Verletzung.
»Wissen Sie, mein Nachbar Hännes, ich komme aus Korschenbroich, bei Mönchengladbach, mein Name ist Josef Pilchrat, ist während einer Kegeltour in Bad Neuenahr von einer Zecke gebissen worden. Er liegt nach drei Monaten immer noch im Koma«, sprudelte der Mann temperamentvoll drauflos.
Jakoba hatte gute Augen. Sie bemerkte die kleinen, fast parallel verlaufenden Bissstellen und die winzigen dunklen Punkte der giftigen Stacheln.
»Mit einer Lupe und einer Nadel könnte ich Ihnen helfen. Doch man kann nie wissen. Sie benötigen vorsorglich Penizillin«, sagte Jakoba fachmännisch.
Der junge Mann blickte sie erstaunt an.
»Fräulein, Sie sind schöner als ich mir meinen Schutzengel vorgestellt habe«, sagte er.
Jakoba winkte ab, nahm die Socke aus dem Schuh und schüttelte sie. Auf dem ausgetretenen, festen Boden vor der Bank lag die erbsengroße Zecke. Sie hatte die Farbe einer Wacholderbeere.
Jakoba drückte sie mit dem Finger platt. Blut befleckte den Boden.
»Sie gehören zu den Gästen des Kompanie-Hauses? Ich sah den Reisebus«, fragte sie.
»Ja, zu den erfolgreichen Kandidaten der Meisterprüfung der Handwerkskammer von Mönchengladbach.Zur Belohnung unserer Büffeleien unternehmen wir eine Busreise durch Ostfriesland«, antwortete Josef Pilchrat, zog die Socke hoch, setzte seinen Fuß in den Schuh und richtete sich wieder her. Er fühlte sich hingezogen zu der hilfsbereiten jungen Frau.
»Spätdienst hat heute die Frisia-Apotheke in Großheide. Begleiten Sie mich nach Hause. Ich fahre Sie hin. Es ist nicht weit«, sagte Jakoba Boomfalk und errötete leicht, als Josef Pilchrat sie dankbar anschaute.
»Wenn Sie so nett sein wollen, wäre ich Ihnen sehr verpflichtet«, antwortete er.
Josef Pilchrat eröffnete in Korschenbroich mitten in der Neubausiedlung »Am Tömp« eine Schlachterei mit einem Versandhandel. Sein Spitzenprodukt, »Niederrheinischer Schinken«, erwies sich als ein Verkaufserfolg.
Der Zeckenbiss im Waldgelände seitlich des trüben Moorkanals in Berumerfehn hatte das gesunde Blut des frisch gebackenen Metzgermeisters dank der medizinischen Vorsorge seines »Engels« nicht vergiftet, dennoch schicksalhafte Folgen nach sich gezogen. Josef Pilchrat und Jakoba Boomfalk fanden zueinander.
Im selben Jahr, kurz vor Weihnachten, verstarb Kuno Boomfalk an Lungenkrebs. An seiner Beisetzung nahm auch Josef Pilchrat teil.
Alrich Boomfalk, der es als Bauingenieur in Perth zu Wohlstand gebracht hatte, nahm im Anschluss an die Beerdigung und der Erledigung der amtlichen und
juristischen Formalitäten, was niemand im kleinen Feriendorf für möglich gehalten hätte, seine trauernde Mama, die, das sei vermerkt, sehr an ihrem Sohn
hingund sich in die Nähe ihres Enkelkindes wünschte, mit nach Australien.
Die Boomfalks verkauften die Gärtnerei samt Wohnhaus, Treibhäusern und fruchtbarem Hinterland an den Gärtnermeister Uwe Riemers.
Jakoba Boomfalk reichte beim Kreiskrankenhaus ihre Kündigung ein, beteiligte sich mit einem Teil ihres Erbes an der Schlachterei in Korschenbroich und heiratete ihren Josef im März 1958.
Jakoba Pilchrat, geborene Boomfalk, die ehemalige Krankenschwester, verlebte an der Seite des tüchtigen Unternehmers glückliche Jahre,
wurde ihrem Mann zu einer verlässlichen Stütze des expandierenden Betriebes, den sie bereits nach Rheydt verlagert hatten und auf dem Industriegelände unter
der Firmierung »JOPI-Fleischwarenfabrik GmbH & Co. K.G.« in neu errichteten Hallen mit modernen Maschinen betrieben. Sie beschäftigten 1966, als ihr
Sohn Georg geboren wurde, bereits 28 Mitarbeiter.
Die Pilchrats waren dafür bekannt, großzügig zu verfahren, wenn es um das Wohl ihrer Mitarbeiter ging oder, was zu ihrem Alltag geworden war, sie um Spenden für soziale und kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen zur Kasse gebeten wurden. Ansonsten lebten die Pilchrats bescheiden und traten nur selten in der Öffentlichkeit in Erscheinung.
1969 erblickte Tochter Maike das Licht der Welt. Jakoba widmete sich der Erziehung der Kinder. Von Beruf war sie Mutter, wie sie sich zu äußern pflegte. Eine Angestellte unterstützte sie bei der Haushaltsführung. Sie redete ihrem Mann nicht in die Geschäfte. Im Gegenteil,sie sorgte für Ablenkungen von seinem stressigen Management, kaufte Konzert-, Kino- und Theaterkarten und schleifte ihren Josef
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