13 Tante Dimity und die Jagd nach dem Vampir (Aunt Dimity: Vampire Hunter
den Motor ausschaltete, entwich dem geschundenen Chassis ein Stöhnen, das besagte: »Ich wurde für sparsamen Benzinverbrauch gebaut, nicht für Geländeabenteuer, Dummkopf!«
Der Anblick, der sich mir am Ende der Straße allerdings bot, ließ mich Anfang und Mitte sofort vergessen. Hilltop Farm war nichts weniger als bezaubernd. Die Außengebäude waren alt und windschief und verteilten sich hinter einem kleinen Farmhaus harmonisch auf einem bescheidenen Hügel. Das Haus war mit lebenden Bäumen dekoriert, die man kunstvoll beschnitten und gelenkt hatte, dass sie Bögen über den Fenstern und der Vordertür bildeten.
Die Gebäude waren aus dem gleichen honigfarbenen Kalkstein wie die niedrigen Mauern, die den Gemüsegarten umgaben, der durch Stroh vor dem kommenden Winter geschützt war, und die schafgesprenkelten Weiden dahinter. Das Licht des späten Nachmittags zauberte einen rosigen Glanz auf den goldenen Stein, ließ die vom Regen gewaschenen Felder schimmern und vergoldete die rostfarbenen Flechten auf dem Schieferdach des Farmhauses.
Als ich aus dem Wagen stieg, kam ich mir vor, als verließe ich das 20. Jahrhundert, um eine frühere, einfachere Zeit zu betreten. Ich hörte das heimelige Glucksen von Hühnern, das Grunzen eines Schweins, das entfernte Blöken von Schafen und das Geräusch von Wasser, das in einem nahen Bach abwärts plätscherte. Aus dem Kamin des Hauses kringelte sich Rauch, und die Fenster waren von einem sanften Licht erhellt, das eher auf Kerzen deutete als auf Glühbirnen. Es gab keine Telefonleitungen, keine Strommasten, Generatoren oder Satellitenschüsseln, die die Illusion zerstörten, in der Zeit zurückgewandert zu sein.
Der Frieden war jedoch nur von kurzer Dauer. Kaum hatte ich die Autotür geschlossen, als die Haustür aufging und eine Frau heraustrat. Sie war klein und untersetzt, hatte ein rundes Gesicht, das ebenso wettergegerbt war wie das Leos, und hellblaue Augen. Ein Kranz weißen, geflochtenen Haars umgab wie ein Heiligenschein ihren Kopf. Sie trug einen weiten braunen Wollpullover, derbe Baumwollhosen und alte Ledermokassins, als habe sie die Pflichten der Farmarbeit erledigt und es sich drinnen für den Abend gemütlich gemacht.
Ich schätzte sie auf Mitte sechzig, und auch wenn sie kein Gewehr in den Händen hielt, so war ihre Körpersprache alles andere als einladend. Sie schob die Schultern vor und hatte die Hände zu Fäusten geballt, und ihr Blick war so drohend, dass ich ihn über den Hof hinweg spürte.
»Wer sind Sie?«, rief sie vom Treppenabsatz aus. »Und was wollen Sie?«
»Ich bin Lori Shepherd«, erwiderte ich, und da ich wusste, dass mein Name ihr nichts sagen würde, fügte ich hinzu: »Ich bin die Amerikanerin, die in Dimity Westwoods Cottage wohnt.«
»Haben Sie’s schon renoviert?«, fragte sie spöttisch. »Umgebaut und verschönert?«
Ihre Reaktion überraschte mich. Mein Einzug in das Cottage war ungefähr zwei Jahre lang ein heißes Thema in Finch gewesen, und auch heute noch zog ich die Aufmerksamkeit der Dorfbewohner auf mich. Ich war derart daran gewöhnt, dass die Leute alles Mögliche über mich wussten, dass es mich vollkommen überraschte, dass es jemanden gab, der mich nicht kannte. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass Lizzie Black isoliert lebte, so hatte ich ihn soeben bekommen.
»Nun, ich habe das Cottage geerbt«, entgegnete ich. »Dimity hat es mir in ihrem Testament vermacht, und ich habe überhaupt nichts daran geändert. Ich finde es perfekt, so wie es ist.«
Lizzie neigte den Kopf und betrachtete mich misstrauisch. »Warum sollte Dimity Westwood Ihnen ihr Cottage hinterlassen haben, Lori Shepherd?«
»Meine Mutter war ihre beste Freundin«, antwortete ich schlicht.
Mit einem Mal änderte sich Lizzies Haltung völlig. Ihre blauen Augen weiteten sich, sie öffnete die Hände und fragte mit viel sanfterer Stimme: »Ihre Mutter, war das etwa Beth?«
Ich blinzelte. Ich hatte nicht erwartet, dass der Name meiner Mutter an einem Ort fallen würde, an dem sie nie gewesen war, ausgesprochen von jemandem, den sie nie gesehen hatte.
»Ja, meine Mutter war Beth Shepherd«, sagte ich. »Sie starb kurz bevor Dimity Westwood verschieden ist.«
Lizzie schürzte die Lippen und nickte. »Dann kommen Sie besser mal rein, Lori Shepherd.«
Sie trat ins Farmhaus zurück und ließ die Tür offen. Ich holte tief Luft und folgte ihr in einen großen rechteckigen Raum mit weiß gekalkten Wänden, einer Decke mit Dachsparren und
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