13 - Wo kein Zeuge ist
erinnerte. Nein, Liebes, sie habe schon vor langer Zeit die Lektion gelernt, dass man Drogenabhängige nicht bei der Beschaffung ihres Gifts unterstützen durfte. Wendy konnte gerne den Platz im Laden haben, solange sie dafür bezahlte, aber wenn sie Geld verdienen und nicht in der Gosse landen wollte, wo sie in den Zeiten vor Wendy's Cloud offensichtlich das eine oder andere Jahrzehnt verbracht hatte, dann musste sie sich morgens zeitig fertig machen, hier erscheinen, den Stand öffnen und ihr Zeug verkaufen. Ihre kleine Schwester war nicht gewillt, das für sie zu tun.
»Das heißt, Sie wissen nicht, ob jemand Ambra-Öl bei ihr gekauft hat?«, fragte Barbara.
»Keine Chance«, antwortete Pet. Auf dem Camden Lock Market herrschte ständig Betrieb. An den Wochenenden ging es hier absolut verrückt zu, wie man bei der Polizei ja sicher wusste. Touristen, Teenager, Liebespaare, Familien mit kleinen Kindern auf der Suche nach preiswerter Unterhaltung, Stammkunden, Taschendiebe, Ladendiebe, andere Diebe ... Man konnte kaum erwarten, dass Pet sich erinnere, wer was in ihrem eigenen Laden gekauft hatte, geschweige denn am Stand ihrer Schwester. Nein, Tatsache war, wenn irgendjemand Constable Havers sagen konnte, wer bei Wendy's Cloud eingekauft hatte, dann war es Wendy selbst. Das Problem war nur, dass Wendy den Großteil ihrer Zeit auf der Wolke verbrachte, wenn Constable Havers verstand, was Petula meinte.
Barbara verstand nur zu gut. Und sie wusste auch, dass dieser sinnlose Ausflug ans andere Ende der Stadt keine Ergebnisse bringen würde. Sie verabschiedete sich von Pet und gab ihr ihre Handynummer für den unwahrscheinlichen Fall, dass Wendy lange genug auf die Erde zurückkehrte, um sich an irgendetwas Brauchbares zu erinnern, ehe sie den Markt verließ.
Um zu verhindern, dass die ganze Aktion pure Zeitverschwendung war, legte Barbara noch zwei Zwischenstopps ein. Der erste war bei einem der Marktstände. Da ihr Fundus an mottobedruckten T-Shirts ständiger Erweiterung bedurfte, begutachtete sie die Auslage bei Pick 8c Co. Sie entschied sich gegen »Prinzessin in der Ausbildung« und »Meine Mum und mein Dad waren auf dem Camden Lock Market, und alles, was ich bekommen hab, ist dieses lausige T-Shirt«, wählte »Ich bremse auch für Aliens«, was über einer Karikatur des Premierministers unter den Rädern eines Londoner Taxis stand. Sie bezahlte und entschied, dass eine Zwischenmahlzeit angezeigt sei. Ein kurzer Halt an einem Stand, wo Folienkartoffeln angeboten wurden, erledigte auch das. Sie wählte eine Füllung aus Krautsalat, Krabben und Mais - man musste ja Sorge tragen, dass alle Nahrungsgruppen bei jeder Mahlzeit angemessen vertreten waren - und nahm Kartoffel und Plastikgabel mit nach draußen, um auf dem Rückmarsch zu ihrem Auto zu essen. Dieser Weg führte sie fast nach Hause, die Chalk Farm Road in nordwestlicher Richtung entlang. Sie war jedoch kaum hundert Meter weit gekommen, als in den Tiefen ihrer Schultertasche ihr Handy zu klingeln begann. Sie war gezwungen, stehen zu bleiben, ihre Folienkartoffel an der ersten Straßenecke auf dem Deckel einer Mülltonne abzulegen und das Handy in ihrer Tasche zu suchen. Vielleicht war Wendy ja ins Diesseits zurückgekehrt und hatte ihrer Schwester irgendwelche brauchbaren Informationen gegeben, die diese weiterleiten wollte ... Man durfte ja wohl hoffen.
»Havers?«, sagte sie ermutigend und sah gerade noch rechtzeitig auf, um einen Lieferwagen vorbeifahren und widerrechtlich am Seiteneingang des Stables Market parken zu sehen. Diese ursprüngliche Behausung für Artilleriepferde an der Straße zur Camden-Schleuse war schon vor langer Zeit in Ladenlokale umgewandelt worden. Barbara betrachtete den Wagen, während sie Lynley lauschte.
»Wo sind Sie, Constable?«
»Camden Lock, wie befohlen«, antwortete Barbara. »Leider kein Ergebnis, fürchte ich.« Ein Mann kletterte aus dem Lieferwagen. Er war eigentümlich gekleidet, selbst wenn man die Kälte bedachte. Er trug eine rote, gartenzwergartige Zipfelmütze, eine Sonnenbrille, fingerlose Handschuhe und einen weiten schwarzen Mantel, der ihm bis zu den Knöcheln reichte. Zu weit, dieser Mantel, dachte Barbara und beobachtete den Mann neugierig. Genau die Sorte Oberbekleidung, unter der man einen Sprengstoffgürtel verstecken konnte. Sie richtete ihr Augenmerk auf den Wagen, als der Mann an die Heckklappe trat. Das Gefährt war violett - eine merkwürdige Farbe - mit weißer Aufschrift auf der Seite.
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