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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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die allesamt jenseits der Themse bei Colossus arbeiteten -, war es wenig wahrscheinlich, dass sie noch jemanden finden würde, der auf diese Beschreibung passte und sich an den Marktständen rund um Camden Lock herumtrieb. Und ganz sicher erwartete sie nicht, die Spur eines Verdächtigen bei Wendy's Cloud zu entdecken. Doch sie wusste, dass es im Moment klug war, in Lynleys Augen zumindest den Anschein zu erwecken, sich an ihre Befehle zu halten. Also kämpfte sie sich durch den Verkehr und fand einen entlegenen Parkplatz, in den sie ihren Mini quetschte. Dann kehrte sie zu Fuß zurück nach Camden Lock mit all seinen Läden, Ständen und Restaurants, die sich von der Chalk Farm Road aus am Wasser entlang aufreihten.
    Wendy's Cloud war nicht leicht zu finden, da es kein Firmenschild hatte. Nachdem sie eine Hinweistafel studiert und mehrfach herumgefragt hatte, entdeckte Barbara es schließlich: ein schlichter Stand in einem der festen Läden des Marktes. Dieser Laden verkaufte Kerzen, Kerzenhalter, Grußkarten, Schmuck und handgemachtes Briefpapier. Wendy's Cloud bot Massage- und Aromatherapieöle an, Räucherstäbchen, Seife und Badesalz.
    Die namensstiftende Inhaberin dieses Etablissements saß auf einem Knautschsessel hinter der Ladentheke, sodass sie den Blicken fast gänzlich entzogen war. Barbara glaubte zuerst, sie liege auf der Lauer nach langfingrigen Kunden, doch als sie rief: »Entschuldigung, kann ich Sie kurz sprechen?«, stellte sich heraus, dass Wendy einen Rausch ausschlief, verursacht durch eine Substanz, die es an ihrem Stand vermutlich nicht zu kaufen gab. Ihre Augenlider hingen auf halbmast. Sie hangelte sich mühsam hoch, hielt sich an einem der Thekenpfosten fest und ließ das Kinn einen Moment zwischen den Badesalzen ruhen.
    Barbara fluchte innerlich. Mit ihren grauen Haarstoppeln und dem indischen Betttuchkaftan sah Wendy nicht gerade wie eine viel versprechende Informationsquelle aus, eher wie ein Überbleibsel der Hippie-Generation. Nur die Glasperlenkette um den Hals fehlte.
    Dennoch stellte Barbara sich vor, zeigte ihren Dienstausweis und versuchte, das Gehirn der alternden Frau zu stimulieren, indem sie »New Scotland Yard« und »Serienmörder« in schneller Abfolge erwähnte. Dann erklärte sie, welche Bewandtnis es mit dem Ambra-Öl hatte, und erkundigte sich hoffnungsvoll nach Wendys Kundendatenpflege. Zuerst glaubte sie, nur eine lange, kühle Dusche werde Wendy ins Hier und Jetzt zurückbringen, doch als sie gerade anfing zu überlegen, wo sie Wasser herbekommen konnte, ergriff Wendy schließlich das Wort: »Nur Bares ist Wahres.« Gefolgt von: »Tut mir Leid.«
    Barbara nahm an, dies bedeute, dass Wendy keine Nachweise über getätigte Verkäufe führte. Wendy nickte und erklärte, wenn sie nur noch eine Flasche eines Öls auf Lager habe, bestelle sie neues. Falls sie daran dachte, am Ende eines Geschäftstages ihre Bestände zu überprüfen. Tatsächlich vergaß sie das meistens, und nur wenn ein Kunde ausdrücklich nach einem bestimmten Produkt fragte, wurde sie daran erinnert, dass es neu bestellt werden musste.
    Das klang einigermaßen viel versprechend. Barbara erkundigte sich, ob Wendy sich an jemanden erinnere, der kürzlich nach Ambra-Öl gefragt hatte.
    Wendy runzelte die Stirn. Dann verdrehten sich ihre Augäpfel nach oben, als ziehe sie sich in die hinteren Winkel ihres Gehirns zurück, um die Frage zu überdenken.
    »Hallo?«, rief Barbara. »Hey, Wendy, weilen Sie noch unter uns?«
    »Sparen Sie sich die Mühe, Kindchen«, sagte jemand in der Nähe. »Sie ist seit über dreißig Jahren high. In ihrem Oberstübchen ist nicht viel Mobiliar übrig, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Barbara schaute sich um und entdeckte, dass die Stimme einer Frau gehörte, die an der Kasse des Ladens saß, in dem Wendy ihren Stand hatte. Während Wendy sich wieder Richtung Knautschsessel verzog, schloss Barbara sich der anderen Frau an, die sich als Wendys langzeitgeplagte Schwester Pet vorstellte. Abkürzung von Petula, erklärte sie. Sie habe Wendy seit Ewigkeiten erlaubt, den Stand in ihrem Laden zu betreiben, aber ob Wendy morgens zur Arbeit erschien oder nicht, war Glückssache.
    Barbara fragte, was an den Tagen geschah, an denen Wendy nicht auftauchte. Was, wenn jemand etwas von ihrem Stand kaufen wollte? Verkaufte Pet dann - wie Barbara hoffte - die Waren ihrer Schwester?
    Pet schüttelte den Kopf. Ihr Haar war grau wie Wendys, aber so stark dauergewellt, dass es an Stahlwolle

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