13 - Wo kein Zeuge ist
stoßen will.«
»Was das betrifft, Barbara ...« St. James nahm einige Blätter aus einem Eingangskörbchen auf dem Aktenschrank. Er reichte sie Lynley, der sie auf den ersten Blick für Werbeprospekte hielt. Bei genauerem Hinsehen erkannte er jedoch, dass die Dokumente aus dem Internet stammten. Auf einer Seite namens PersonalSecurity.com wurden Elektroschocker zum Verkauf angeboten. Sie wurden dort »Stun Guns« genannt, sahen aber völlig anders aus als die Pistolenform, die dieser Name zu implizieren schien. Tatsächlich sahen sie überhaupt nicht wie Waffen aus, was vermutlich genau der Punkt war, der sie für potenzielle Käufer attraktiv machen sollte. Manche sahen aus wie Mobiltelefone. Andere wie Taschenlampen. Doch alle funktionierten auf die gleiche Weise: Man musste den Körper des Opfers mit dem Schocker berühren, damit der Stromstoß wirken konnte.
Havers pfiff leise vor sich hin. »Ich bin beeindruckt«, sagte sie. »Und ich schätze, es ist nicht schwer zu erraten, wie diese Dinger ins Land kommen.«
»Kein Problem, sie nach England zu schmuggeln, wenn sie so harmlos aussehen«, stimmte St. James zu.
»Und vom Flughafen geradewegs auf den Schwarzmarkt«, fügte Lynley hinzu. »Das ist großartig, Simon. Danke. Ein Fortschritt. Ich fühle mich ansatzweise ermutigt«
»Aber Hillier können wir das nicht sagen«, gab Havers zu bedenken. »Er reicht es gleich weiter an Crimewatch. Oder an die Presse, und zwar schneller, als Sie ›Leck mich am Arsch‹ sagen könnten. Nicht, dass Sie das je sagen würden, Sir«, fügte sie hastig hinzu.
»Nicht, dass ich es nicht sagen möchte«, erwiderte Lynley. »Obwohl ich es in der Regel lieber ein bisschen subtiler habe.«
»Dann könnten wir ein Problem mit unserem Plan bekommen«, meldete Helen sich von ihrem Platz aus zu Wort, wo sie und Deborah die Zeitschriften durchgeblättert hatten. Sie hielt eine davon hoch, und Lynley erkannte, dass sie Baby- und Kinderbekleidung zeigte. »Ich muss gestehen, er ist kein bisschen subtil«, fuhr sie fort. »Deborah hat eine Lösung vorgeschlagen, Tommy. Für die Taufproblematik.«
»Ach ja. Das.«
»Genau. Das. Sollen wir's dir erzählen? Oder soll ich bis später warten? Du könntest es als kleine Ablenkung von den grausigen Realitäten des Falls betrachten, wenn du willst.«
»Indem ich mich den grausigen Realitäten unserer Familien zuwende, meinst du?«, fragte Lynley. »Also, das ist wirklich eine wunderbare Ablenkung.«
»Mach dich nicht über mich lustig«, schalt Helen. »Um ehrlich zu sein, wenn es nach mir ginge, würden wir unseren Jasper Felix in einem Geschirrtuch taufen. Da es aber nicht nach mir geht, da zweihundertfünfzig Jahre Lynley-Familiengeschichte auf meinen Schultern lasten, will ich einen Kompromiss finden, der alle zufrieden stellt.«
»Das wird dir kaum gelingen, nachdem deine Schwester Iris begonnen hat, die übrigen Mädchen hinter sich zusammenzuscharen, um die Clyde-Familiengeschichte zu verteidigen«, entgegnete Lynley.
»Nun ja, Iris kann ziemlich Furcht einflößend sein, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Das war es, worüber Deborah und ich gesprochen haben, und da hat sie die naheliegendste Lösung der Welt vorgeschlagen.«
»Will ich sie hören?«, fragte Lynley Deborah.
»Neue Taufkleider«, erwiderte sie.
»Aber nicht einfach nur neu«, fügte Helen hinzu. »Und nicht das Übliche: Taufkleid, Deckchen, Schärpe und was sonst noch. Es geht darum, etwas zu kaufen, das eine neue Tradition etabliert. Deine und meine. Das wird natürlich ein bisschen mehr Mühe kosten, und es wird kaum damit getan sein, sich einmal kurz bei Peter Jones umzuschauen.«
»Das wird dir so richtig schwer fallen, Liebling«, bemerkte Lynley.
»Er meint das sarkastisch«, erklärte Helen den anderen. Und an Lynley gewandt: »Du siehst aber doch ein, dass das die Lösung ist, nicht wahr? Etwas Neues, etwas Anderes, etwas, das wir an unsere Kinder weitergeben - zumindest können wir das behaupten -, damit auch sie diese Tradition fortführen. Und ich bin sicher, dass es so etwas gibt. Deborah hat sich freiwillig gemeldet, mir bei der Suche zu helfen.«
»Danke«, sagte Lynley zu Deborah.
»Gefällt dir die Idee?«, fragte sie ihn.
»Mir gefällt alles, was mir ein bisschen Frieden beschert. Selbst wenn es nur vorübergehend ist. Sollte es uns jetzt noch gelingen ...«
Sein Handy trällerte. Als er in die Innentasche des Mantels griff, um es hervorzuholen, klingelte auch Havers'
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