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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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die Fährte schon aufgenommen hatte.
    Das erste Stück der Wood Lane war von Wohnhäusern gesäumt, eine Mischung aus Gebäuden des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, bestehend aus Apartmentblocks, Einfamilienhäusern und in Wohnungen aufgeteilte Villen. Doch nach zweihundert Metern hörte die Bebauung plötzlich auf, und auf beiden Seiten reichte der Wald ohne jeden Zaun und frei zugänglich bis an die Straße. Bei diesem Wetter wirkte er düster und gefährlich.
    »Gute Wahl«, murmelte Havers, als sie und Lynley ausstiegen. »Das hat er drauf, oder? Das muss man ihm lassen.« Sie schlug den Kragen ihrer Steppjacke zum Schutz vor dem Regen hoch. »Das hier sieht aus wie eine Horrorfilmkulisse.«
    Lynley konnte nicht widersprechen. Im Sommer war diese Gegend wahrscheinlich ein Paradies, eine natürliche Oase, ein Fluchtziel inmitten dieser Gefängnisse aus Beton, Stein, Ziegel und Asphalt, die schon vor langer Zeit die Natur verdrängt hatten. Doch im Winter war es ein melancholischer Ort, wo sich alles im Zustand des Verfalls befand. Eine dicke Schicht Laub bedeckte den Boden und erfüllte die Luft mit Torfgeruch. Vom Sturm gefällte Buchen in unterschiedlichen Stadien der Verrottung lagen dort, wohin sie gefallen waren, und herabgestürzte Äste waren über den Abhang verstreut, bewachsen mit Moos und Flechten.
    Die Aktivität konzentrierte sich auf die Südseite der Wood Lane, wo der Park zu den Schrebergärten abfiel und dann Richtung Priory Gardens, der dahinter gelegenen Straße, wieder anstieg. Eine zwischen Pfosten gespannte große, durchsichtige Plane bildete den Regenschutz über einem Stück Waldboden etwa fünfzig Meter westlich der Schrebergärten. Dort lag eine riesige Buche, die offenbar erst vor kurzem umgestürzt war, denn da, wo ihre Wurzeln gewesen waren, befand sich eine Grube, die noch nicht vom Laub, Farn und Gestrüpp gefüllt worden war.
    Der Mörder hatte die Leiche in dieses Erdloch gelegt. Ein Gerichtsmediziner war dabei, das Opfer zu untersuchen, während Beamte von der kriminaltechnischen Untersuchungsabteilung die unmittelbare Umgebung durchkämmten. Etwa dreißig Meter entfernt stand ein halbwüchsiger Junge unter einer hohen Buche und beobachtete die Szene, stützte sich nach hinten mit einem Fuß gegen den Baumstamm ab, ein Rucksack an seiner Seite. Ein rothaariger Mann im Trenchcoat stand bei ihm und nickte Lynley und Havers auf eine Art und Weise zu, die sie aufforderte, sie mögen sich ihm anschließen.
    Der Rotschopf stellte sich als Detective Inspector Widdison von der Polizeiwache Archway vor. Und dieser junge Mann hier, sagte er, heiße Ruff.
    »Ruff?« Lynley betrachtete den Jungen, der ihm aus dem Schatten seiner Sweatshirtkapuze finstere Blicke zuwarf. Über dem Shirt trug er einen zu groß geratenen Anorak.
    »Im Moment hat er keinen Nachnamen.« Widdison entfernte sich fünf Schritte von dem Jungen und bat Lynley und Havers mitzukommen. »Er hat den Leichnam gefunden«, erklärte er. »Er ist ein hart gesottener, kleiner Scheißer, aber das hat ihn erschüttert. Hat sich übergeben, als er Hilfe holte.«
    »Wohin ist er gegangen, um Hilfe zu holen?«, fragte Lynley.
    Widdison deutete Richtung Wood Lane. »Walden Lodge. Ein Haus mit acht oder zehn Wohnungen. Er hat alle Klingeln gedrückt, bis irgendwer ihn zum Telefonieren reingelassen hat.«
    »Was hat er hier eigentlich getrieben?«, wollte Havers wissen.
    »Gesprayt«, antwortete Widdison. »Er will natürlich nicht, dass wir das wissen, aber weil er so durcheinander war, hat er uns versehentlich seinen Sprayernamen ›Ruff‹ angegeben, und deswegen sagt er uns jetzt seinen richtigen Namen nicht. Wir versuchen seit acht Monaten, ihn zu schnappen. Er hat hier in der Gegend auf jeder verfügbaren Fläche sein Zeichen hinterlassen: auf Straßenschildern, Mülleimern, Bäumen. Silber.«
    »Silber?«
    »Seine Sprayfarbe. Silber. Er hat die Farbdosen da in seinem Rucksack. Er war nicht geistesgegenwärtig genug, sie wegzuwerfen, eh er uns anrief.«
    »Was hat er Ihnen erzählt?«
    »So gut wie nichts. Sie können selbst mit ihm reden, wenn Sie wollen, aber ich glaub nicht, dass er irgendwas gesehen hat. Ich glaub auch nicht, dass es etwas zu sehen gab.« Er wies zu dem Kreis der Beamten, der den Toten umgab. »Ich bin da drüben, wenn Sie so weit sind.« Er ging weg.
    Lynley und Havers kehrten zu dem Jungen zurück, Havers durchsuchte ihre Tasche. Lynley sagte zu ihr: »Ich schätze, er hat Recht, Barbara. Ich glaube

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