13 - Wo kein Zeuge ist
Ihres Sohnes sehen, Mr. Benton?«, fragte Lynley.
»Warum?«
»Vielleicht finden wir einen Hinweis darauf, wohin er verschwunden ist«, erklärte Havers. »Manchmal sagen Kinder ihren Eltern nicht alles. Wenn es einen Kumpel gibt, über den Sie nichts Genaues wissen ...«
Max tauschte einen Blick mit seiner Frau. Es war das erste Mal, dass er nicht als der absolute Herr des Hauses erschien. Bev nickte ihm aufmunternd zu. Daraufhin forderte Max Lynley und Havers auf, ihn zu begleiten.
Er führte sie die Treppe hinauf, wo drei Zimmer von einem schmucklosen, quadratischen Flur abgingen. In einem der Zimmer standen zwei Etagenbetten an gegenüberliegenden Wänden, ein Kleiderschrank dazwischen. Über einem der Betten war hoch oben an der Wand ein Regal angebracht, das eine CD-Sammlung und einen kleinen, säuberlichen Stapel Baseballkappen enthielt. Das untere Bett war ausgebaut worden, und in dem entstandenen Raum hatte sich jemand eine Höhle eingerichtet. Einen Teil davon nahmen Kleidungsstücke ein: Schlabberhosen, Turnschuhe, Pullis und T-Shirts mit den Namenszügen der amerikanischen Rapper, die Bev Benton erwähnt hatte. Ein billiges Blechregal beherbergte ausschließlich Fantasyromane. Und an der Schmalseite der Höhle stand eine kleine Kommode. Dieses kleine Reich war Daveys, erklärte Max Benton ihnen.
Während Lynley und Havers hineinkrochen und sich jeder ein Ende vornahmen, sagte Max mit einer Stimme, die nicht mehr autoritär, sondern verzweifelt und sehr furchtsam klang: »Sie müssen es mir sagen. Sie wären doch nicht hier, wenn Sie nicht schon mehr wüssten. Ich versteh natürlich, warum Sie vor meiner Frau und den Kleinen nichts sagen wollten. Aber jetzt ... Sie hätten uniformierte Beamte geschickt, nicht Sie.«
Lynley durchsuchte die Taschen der ersten Jeans, während Max Benton sprach. Doch dann hielt er inne, kam aus der Höhle und ließ Havers die Durchsuchung allein fortsetzen. »Sie haben Recht«, sagte er. »Wir haben eine Leiche gefunden, Mr. Benton. Im Queen's Wood, nicht weit von der Highgate Station entfernt.«
Max Benton sackte ein wenig in sich zusammen, aber er winkte ab, als Lynley seinen Arm nehmen und ihn zu dem Bett an der gegenüberliegenden Wand führen wollte. »Davey?«, fragte Benton.
»Wir müssen Sie bitten, sich den Leichnam anzusehen. Es ist der einzige Weg, um absolut sicher zu sein. Es tut mir sehr Leid.«
Benton fragte nochmals: »Davey?«
»Mr. Benton, vielleicht ist es nicht Davey.«
»Aber Sie glauben ... Warum würden Sie sich sonst die Mühe machen, hier raufzukommen und sein Zeug anzusehen.«
»Sir ...«, ertönte Havers' Stimme aus der Höhle. Lynley wandte sich um und sah, dass sie ihm etwas zur Begutachtung hinhielt. Es war ein Paar Handschellen, aber keine gewöhnlichen. Sie Waren nicht aus Metall, sondern aus einem schweren Kunststoff, und im Halbdunkel unter dem oberen Bett leuchteten sie. Havers begann: »Könnten die ...«, doch sie wurde von Max Benton unterbrochen. »Ich hab ihm gesagt, er soll diese Dinger zurückgeben«, erklärte er barsch. »Er hat behauptet, das hätte er getan. Das hat er mir geschworen, weil er nicht wollte, dass ich mit ihm hingehe und mich vergewissere, dass er sie zurückgibt.«
»Wem?«, fragte Havers.
»Er hat sie von einem Stand im Stables Market. Drüben am Camden Lock. Er hat behauptet, ein Händler da hätte sie ihm geschenkt, aber welcher Händler verschenkt seine Ware an Kinder, die um seinen Stand herumlungern, sagen Sie mir das. Also war ich sicher, dass er sie geklaut hat, und hab ihm gesagt, er soll sie sofort zurückbringen. Der Bengel muss sie stattdessen versteckt haben.«
»Welcher Stand war das? Hat er das gesagt?«, fragte Lynley.
»Ein Zaubereistand, hat er gesagt. Den Namen weiß ich nicht. Davey hat ihn nicht erwähnt, und ich hab nicht gefragt. Ich hab ihm nur gesagt, er soll die Handschellen zurückbringen und gefälligst aufhören, Sachen mitgehen zu lassen, die ihm nicht gehören.«
»Zaubereistand?«, fragte Barbara Havers. »Sind Sie ganz sicher, Mr. Benton?«
»Das hat er gesagt.«
Havers kroch aus der Höhle heraus. »Kann ich Sie kurz allein sprechen, Sir?«, fragte sie Lynley. Sie wartete keine Antwort ab, sondern verließ das Zimmer und trat in den Flur hinaus. Leise sagte sie zu Lynley: »Verflucht noch mal. Vielleicht hab ich mich geirrt. Tunnelblick. Wie Sie's auch nennen wollen.«
»Havers, jetzt ist nicht der geeignete Zeitpunkt, in Rätseln zu sprechen«, erwiderte
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