13 - Wo kein Zeuge ist
Leuchtreklametafel überflüssig. »Beabsichtigst du, meine Frage zu beantworten?«, erkundigte sie sich.
»Sicher«, entgegnete er. »Wenn die Polizei sie mir stellt. Und ich schätze, das wird sie. Dafür sorgst du schon, nicht wahr?«
»Hier geht es nicht um mich oder um euch«, widersprach sie. »Hier geht es allein um ...«
»Colossus«, beendete er den Satz für sie. »Klar doch, Ulrike. Es geht immer nur um Colossus, oder? Und wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich habe zu arbeiten. Aber wenn du eine Abkürzung nehmen möchtest, ruf meine Mutter an. Sie gibt mir ein Alibi. Natürlich bin ich ihr Ein und Alles und hab ihr deswegen vielleicht gesagt, sie soll lügen, wenn jemand kommt und herumschnüffelt. Aber das Risiko gehst du bei jedem von uns ein. Schönen Tag noch.«
Er wandte sich wieder dem Computer zu. Sein rotwangiges Gesicht war noch röter als gewöhnlich. Sie sah ein Äderchen in seiner Schläfe pochen. Zu Unrecht verdächtigte Unschuld?, fragte sie sich. Oder etwas anderes? Bitte, Neil, ganz wie du willst.
Mit Jack Veness war es einfacher. »Miller and Grindstone«, sagte er. »Scheiße, Ulrike, da bin ich immer. Warum, zum Geier, machst du das eigentlich? Haben wir hier nicht schon genug Ärger?«
Den hatten sie in der Tat, und sie machte alles noch schlimmer. Aber das war nicht zu ändern. Sie musste irgendetwas finden, das sie den Cops geben konnte. Selbst wenn es bedeutete, dass sie jedes Alibi persönlich überprüfen musste: Robbies Vater, Neils Mutter, den Wirt im Miller and Grindstone . Sie war gewillt, das zu tun, sie war auch dazu in der Lage und sie hatte keine Angst. Sie würde es tun, weil so viel auf dem Spiel stand .
»Ulrike? Was ist passiert? Ich dachte, ich hab gesagt, fünf Minuten.«
Griff war in den Empfangsraum gekommen. Er schien verwirrt, und das war nur verständlich, denn wann immer er sie bislang in seinen Orbit bestellt hatte, war sie wie ein zuverlässiger Satellit aufgetaucht.
»Ich muss dich sprechen«, erwiderte sie. »Hast du einen Moment Zeit?«
»Sicher. Die Kids arbeiten an dem Vertrauenskreis. Was ist los?«
Jack warf ein: »Ulrike macht da weiter, wo die Bullen aufgehört haben.«
»Das reicht, Jack«, sagte Ulrike, und zu Griff: »Komm mit.«
Sie ging in ihr Büro, und sie schloss die Tür. Weder mit der indirekten noch der direkten Befragung hatte sie verhindern können, dass sie ihre Mitarbeiter kränkte, also schien es unwichtig, welche Methode sie bei Griff anwandte. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber er kam ihr zuvor.
»Ich bin froh, dass du um ein Gespräch gebeten hast, Rike«, sagte er und fuhr sich auf diese spezielle Weise mit der Hand durchs Haar. »Ich wollte auch mit dir reden.«
»Was?«, erwiderte sie ohne nachzudenken. Rike. Das hatte er ihr ins Ohr geflüstert. Ein Stöhnen beim Orgasmus: Rike, Rike.
»Du hast mir gefehlt. Es gefällt mir überhaupt nicht, wie es mit uns zu Ende gegangen zu sein scheint. Es gefällt mir auch nicht, dass es zu Ende zu sein scheint. Was du über mich gesagt hast - dass ich nur fürs Bett tauge -, das hat mich ziemlich getroffen. So habe ich unsere Beziehung nie gesehen. Es ging nicht ums Vögeln, Rike.«
»Wirklich nicht? Um was dann?«
Er stand an der Tür, sie vor dem Schreibtisch. Nun bewegte er sich, aber nicht in ihre Richtung, sondern er trat an die Bücherregale und schien die Titel zu studieren. Schließlich ergriff er das Foto von Nelson Mandela, der zwischen Ulrike und ihrem Vater stand.
»Das hier«, antwortete er. »Das Mädchen auf dem Bild hier und woran sie damals geglaubt hat und heute immer noch glaubt. Ihre Leidenschaft, das Leben in ihr. Es ging darum, zu beiden in Verbindung zu treten, denn ich will sie auch haben: Leidenschaft und Leben.« Er stellte das Foto zurück und schaute sie an. »Und sie stecken immer noch in dir. Das ist das Faszinierende, war es von Anfang an und ist es heute noch.«
Er steckte die Hände in die hinteren Taschen seiner Jeans. Die Hose war hauteng, wie immer, und sie konnte die Wölbung seines Penis erkennen. Sie wandte den Blick ab.
»Zu Hause ist die Hölle los«, fuhr er fort. »Ich war in letzter Zeit nicht ich selbst, das tut mir Leid. Arabellas Hormone spielen verrückt, das Baby hat Koliken, und das Textildruckgeschäft läuft nicht so toll im Moment. Ich hatte einfach zu viel am Hals. Ich habe angefangen, dich als ein weiteres Problem zu betrachten, mit dem ich leben muss, und ich habe dich nicht anständig
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