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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ich bin nicht blöd. Ich weiß, was hier los ist. Die Bullen haben mit mir geredet.«
    »Sie haben mit jedem gesprochen.«
    »Ja, okay. Aber sie haben auch meine Nachbarn befragt. Ich wohne schon seit Ewigkeiten dort, also haben die Nachbarn mir erzählt, dass die Bullen da waren. Ich schätze, sie sind drauf und dran, mich zu beschatten.«
    »Beschatten?« Ulrike versuchte, völlig gelassen zu klingen. »Dich? Bestimmt nicht. Wo gehst du denn schon hin, dass sie Grund hätten, dich zu beobachten?«
    »Nirgendwohin. Na ja, es gibt ein Hotel mit einer Bar in der Nähe. Dahin gehe ich, wenn ich mal eine Pause von meinem Dad brauche. Man könnte meinen, das wär ein Verbrechen oder so.«
    »Eltern«, sagte sie. »Manchmal muss man ein bisschen auf Abstand zu ihnen gehen, oder?«
    Er runzelte die Stirn und hielt wieder in seiner Arbeit inne. Nach einem kurzen Schweigen erwiderte er: »Abstand? Worüber reden wir hier eigentlich wirklich?«
    »Na ja, es ist so, dass meine Mutter und ich oft streiten, und deswegen hab ich angenommen ... Tja, es hat wohl was mit dem Geschlecht zu tun. Zwei Erwachsene gleichen Geschlechts in einem Haushalt? Da fängt man an, sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen.«
    »Solange wir nur zusammen fernsehen, kommen Dad und ich gut miteinander aus«, erklärte er.
    »Du Glückspilz. Tut ihr das oft? Fernsehen?«
    »Ja, die Reality-Shows. Wir sind richtig süchtig danach. Neulich abends haben wir ...«
    »Welcher Abend war das?« Sie sah, dass sie die Frage zu hastig gestellt hatte. Sein Gesicht nahm plötzlich einen Ausdruck von Wachsamkeit an, der vorher nicht da gewesen war. Er holte Eier aus dem Kühlschrank und zählte sie sorgfältig ab, als wolle er seine Zuverlässigkeit unter Beweis stellen. Sie wartete gespannt, ob er antworten würde.
    »Der Abend, bevor dieser tote Junge im Wald gefunden wurde«, sagte er schließlich ausgesprochen höflich. »Wir haben dieses Big-Brother-Dings auf der Yacht geguckt. Sail
    Away. Kennst du das? Ist im Bezahlfernsehen. Wir wetten immer, wer als Nächstes vom Schiff runtergeschickt wird. Hast du Bezahlfernsehen, Ulrike?«
    Sie musste ihn wohl oder übel dafür bewundern, wie er seinen Ärger geschluckt hatte, um sich kooperativ zu zeigen. Sie war ihm etwas schuldig. »Tut mir Leid, Rob.«
    Er zögerte einen Moment, ehe er einlenkte und die Schultern zuckte. »Ist schon in Ordnung, denke ich. Aber ich hab mich gefragt, warum du hergekommen bist und dich mit mir unterhalten wolltest.«
    »Du stehst wirklich auf der Liste für einen festen Job.«
    »Wie auch immer«, entgegnete er. »Ich sollte lieber zusehen, dass ich hier fertig werde.«
    Sie überließ ihn seiner Aufgabe. Sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut, aber sie kam zu dem Schluss, dass Gefühle im Moment keine Rolle spielen durften, auch nicht ihre eigenen. Später, wenn Normalität in ihren Alltag zurückgekehrt war, würde sie alles wieder gutmachen. Jetzt gab es wichtigere Angelegenheiten.
    Also beschloss sie, ihre indirekte Vorgehensweise zu modifizieren. Sie machte Neil Greenham ausfindig und ging ihm ohne Umschweife an die Kehle.
    Er war allein im Computerraum, wo er an der Homepage von einem der Jungen arbeitete. Sie war typisch für die Colossus-Teilnehmer: schwarz mit grafischen GothicElementen.
    »Neil, was hast du am Achten gemacht?«, fragte sie.
    Er machte sich eine Notiz auf dem gelben Schreibblock neben der Maus. Sie sah, dass ein Muskel in seiner fleischigen Wange zuckte. »Lass mich raten, Ulrike«, erwiderte er.
    »Du willst wissen, ob ich einen armen Jungen im Wald ermordet habe.«
    Sie erwiderte nichts. Er sollte denken, was er wollte.
    »Hast du die anderen auch schon überprüft?«, fragte er. »Oder bin ich dein einziger Kandidat?«
    »Könntest du bitte einfach meine Frage beantworten, Neil?«
    »Natürlich kann ich. Aber ob ich auch will, ist etwas ganz anderes.«
    »Neil, das hier ist nichts Persönliches«, erklärte sie. »Ich habe auch schon mit Robbie Kilfoyle gesprochen. Und ich habe die Absicht, auch Jack zu fragen.«
    »Und wie steht es mit Griff? Oder taucht er auf deinem Mordradar nicht auf? Jetzt, da du dich als Polizeispitzel betätigst, solltest du vielleicht anfangen, dich in Objektivität zu üben.«
    Sie fühlte, wie sie errötete - vor Demütigung, nicht vor Wut. Und sie hatte geglaubt, sie seien vorsichtig gewesen. Niemand kann es wissen, hatte sie Griff versichert. Wenn man zuließ, dass die Besessenheit die Vorsicht verdrängte, war eine

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