13 - Wo kein Zeuge ist
rangieren.«
»Damit kann ich leben«, versicherte Havers.
Trotz ihrer Zustimmung drängte es ihn, noch mehr zu sagen, so als trügen sie eine Debatte aus. Er hatte das Gefühl, nur mit einem harten Gegenschlag würde man je in der Lage sein, die Krankheit auszumerzen, die ihre Gesellschaft plagte. »Irgendwie müssen wir es zustande bringen, ein Land ohne Wegwerfkinder zu werden, Havers«, sagte er. »Wir müssen darüber hinauswachsen, dass hier alles geht und nichts eine Rolle spielt. Glauben Sie mir, ich bin gerne bereit, damit zu beginnen, aus Barry Minshall ein abschreckendes Beispiel für all jene zu machen, die zwölf- und dreizehnjährige Jungen für Müll halten, etwa einer Fastfood-Schachtel vergleichbar.« Er blieb auf einem der Treppenabsätze stehen und schaute sie an. »Ich predige mal wieder«, bemerkte er zerknirscht. »Tut mir Leid.«
»Kein Problem. Sie haben jedes Recht dazu.« Sie hob den Kopf und blickte in Richtung der oberen Etagen des Victoria-Blocks. »Aber Sir ...« Sie klang zögerlich, was ihr überhaupt nicht ähnlich sah. Dann gab sie sich einen Ruck: »Dieser Corsico ...?«
»Hilliers eingebetteter Reporter. Wir können nichts dagegen tun. Hillier ist für vernünftige Argumente so unzugänglich wie eh und je.«
»Der Typ hält sich an die Spielregeln«, versicherte sie. »Das ist nicht das Problem. Er schnüffelt nicht herum, und die einzigen Fragen, die er stellt, betreffen Sie. Hillier hat gesagt, er soll Kollegen porträtieren, aber ich denke ...« Sie war unruhig. Lynley wusste, sie brauchte eine Zigarette - seit jeher Havers' Art, sich Mut zu machen.
Er führte den Gedanken für sie zu Ende. »Es ist keine gute Idee, das Augenmerk der Öffentlichkeit auf die Ermittler zu richten.«
»Das geht einfach nicht«, sagte sie. »Ich will auf keinen Fall, dass dieser Kerl in meiner Wäscheschublade wühlt.«
»Ich habe Dee Harriman aufgetragen, ihm so viel über mich zu erzählen, dass er tagelang damit beschäftigt sein wird, Details meiner berüchtigten Jugendtage zu enthüllen, die sie so bunt ausschmücken kann, wie sie will: Eton, Oxford, Howenstow, ein paar Affären, High-Society-Vergnügungen wie Segelyachten, Fasane schießen und Fuchsjagd ...«
»Verflucht noch mal, soll das etwa heißen, dass Sie ...«
»Natürlich nicht. Na ja, einmal, als ich zehn war, und ich fand es abscheulich. Aber Dee kann ihm das meinetwegen erzählen, von mir aus auch, dass immer ein Dutzend Showtänzerinnen zu meiner Unterhaltung bereitsteht, wenn das erforderlich ist, um ihn von unserer Arbeit abzulenken. Ich will, dass dieser Kerl so lange wie möglich niemand anderen belästigt. Und wenn Dee ihre Sache gut macht und auch alle anderen, mit denen Corsico spricht, mitziehen, dann haben wir den Fall gelöst, bevor er dazu kommt, den Nächsten zu porträtieren.«
»Sie können doch nicht wollen, dass Ihr Gesicht auf der Titelseite der Source erscheint«, entgegnete sie, während sie den Weg die Treppe hinunter fortsetzten. »›Der Earl, der ein Bulle wurde‹. Irgend so ein Schwachsinn.«
»Es ist das Letzte, was ich will. Aber wenn mein Gesicht auf der Titelseite dazu führt, dass alles, was sonst mit diesem Fall zu tun hat, nicht in der Source steht, bin ich bereit, die Peinlichkeit zu ertragen.«
Sie gingen jeder zu seinem eigenen Wagen, denn es wurde spät, und die Polizeiwache an der Holmes Street lag nahe genug an Barbaras Zuhause, dass es nur logisch war, wenn sie nach Barry Minshalls Verhör gleich dorthin fuhr. Sie folgte Lynley in ihrem stotternden Mini quer durch London, nachdem sie ein paar atemlose Sekunden in der Tiefgarage geglaubt hatte, er werde nicht anspringen.
Man erwartete sie bereits in der Holmes-Street-Wache. James Barty - der Pflichtverteidiger - musste noch herbeigeschafft werden. Das dauerte etwa zwanzig Minuten, die sie in einem Verhörzimmer verbrachten. Den angebotenen, späten Nachmittagstee lehnten sie ab. Als Barty schließlich mit Kuchenkrümeln im Mundwinkel aufkreuzte, wurde schnell offensichtlich, dass er keine Ahnung hatte, warum sein Mandant plötzlich reden wollte. Der Anwalt hatte Minshall also nicht dazu gedrängt. Barty erklärte, er ziehe es vor, abzuwarten, was die Polizei zu bieten hatte. Meistens steckte ja mehr dahinter, wenn eine Mordanklage so schnell erhoben wurde wie in diesem Fall. Musste der Superintendent ihm da nicht Recht geben?
Barry Minshalls Ankunft in ihrer Mitte ersparte es Lynley, zu antworten. Der diensthabende Sergeant
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