13 - Wo kein Zeuge ist
Röhrchen wird das Blut herausgekommen sein, ein Liter, vielleicht sogar zwei. Und da wussten sie dann, dass sie sofort operieren mussten.«
»Also darum ging es bei der OP?«
»Sie haben die linke Herzkammer, die Arterie und die Austrittswunde in der rechten Herzkammer genäht.«
»Das Projektil? Haben wir das? Was ist daraus geworden?«
»Es steckte unter dem rechten Schulterblatt, zwischen der dritten und vierten Rippe. Das heißt, wir haben das Projektil.«
»Also, das bedeutet, sie ist zusammengeflickt. Das sind gute Nachrichten, oder?«
Sie konnte förmlich zusehen, wie er sich in sich selbst zurückzog, an einen Ort, den sie nicht erahnen oder sich auch nur vorstellen konnte. »Es hat zu lange gedauert, bis sie behandelt werden konnte, Barbara«, sagte er.
»Wie meinen Sie das, zu lange? Warum?«
Er schüttelte den Kopf. Seine Augen trübten sich unerklärlicherweise. Da wollte sie den Rest auf einmal nicht mehr hören, aber sie waren schon zu weit in diese Gewässer hinausgewatet. Der Rückzug stand ihr nicht mehr offen.
»Hat sie das Baby verloren?« Es war Deborah, die die Frage stellte.
»Noch nicht.«
»Gott sei Dank«, sagte Barbara. »Also sind die Aussichten gut, oder?«
St. James fragte seine Frau: »Deborah, möchtest du dich nicht lieber setzen?«
»Hör auf damit.« Sie hob den Kopf. Die arme Frau sah aus, als leide sie an der Schwindsucht.
»Sie hat eine Zeit lang keinen Sauerstoff bekommen«, sagte St. James. Er sprach so leise, dass Barbara sich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen.
»Was soll das heißen?«
»Ihr Gehirn hat keinen Sauerstoff bekommen, Barbara.«
»Aber jetzt wieder«, entgegnete Barbara, immer noch hartnäckig. »Jetzt ist alles in Ordnung, ja? Wie sieht es aus?«
»Sie wird künstlich beatmet. Und ernährt, natürlich. Sie ist an ein EKG angeschlossen.«
»Gut. Das ist doch gut, oder?« Das ist doch bestimmt hervorragend, dachte sie. Ein Grund zum Feiern. Ein furchtbarer Moment, aber sie alle hatten ihn überstanden, und die Dinge würden sich schon regeln. Stimmt's nicht? Ja. Sag das Wort: Ja.
»Sie weist keinerlei Großhirnrindentätigkeit auf«, erklärte St. James. »Und das heißt ...«
Barbara wandte sich ab und ging weg. Sie wollte nichts mehr hören. Mehr zu hören, bedeutete wissen, wissen bedeutete fühlen, und das war das Letzte, gottverdammte ... Die Augen auf den Linoleumboden gerichtet, verließ sie mit eiligen Schritten das Krankenhaus, trat hinaus in die kalte Nachtluft und den Wind, der ihr so unerwartet ins Gesicht schlug, dass sie keuchte und aufschaute und sie alle dort versammelt sah: die Aasfresser, die Journalisten. Nicht Dutzende, nicht so viele, wie hinter der Absperrung am Shand-Street-Tunnel oder am Ende der Wood Lane gestanden hatten. Aber genug, und sie hätte sich am liebsten auf sie gestürzt.
»Constable? Constable Havers? Kann ich Sie kurz sprechen?«
Barbara dachte, es sei jemand vom Krankenhaus, der herausgekommen war, um sie zu holen und ihr Neuigkeiten mitzuteilen, doch als sie sich umwandte, war es Mitchell Corsico, der auf sie zukam, ein Notizbuch in der Hand.
»Verschwindet hier«, befahl sie. »Sie vor allem. Sie haben genug angerichtet.«
Er runzelte die Stirn, als habe er nicht ganz verstanden, was sie zu ihm sagte. »Sie glauben doch nicht etwa ...« Er brach ab, um seine Gedanken neu zu ordnen. »Constable, Sie können doch nicht glauben, dass dies hier irgendetwas mit dem Artikel über den Superintendent in der Source zu tun hat.«
»Sie wissen, was ich glaube«, entgegnete sie. »Gehen Sie mir aus dem Weg.«
»Aber wie geht es ihr? Kommt sie durch?«
»Verflucht noch mal, gehen Sie mir aus dem Weg«, fauchte sie. »Oder ich kann für die Folgen keine Verantwortung übernehmen.«
29
Es galt, Vorbereitungen zu treffen, und er widmete sich ihnen mit der ihm eigenen Sorgfalt. Er arbeitete still. Er ertappte sich mehr als einmal bei einem Lächeln. Er summte sogar, während er die Spannweite der Arme eines erwachsenen Mannes maß, und als er sang, tat er es leise, denn es wäre idiotisch gewesen, an diesem Punkt ein unnötiges und dummes Risiko einzugehen. Die Melodien, die ihm einfielen, kamen von Gott weiß woher, und als er zu »Ein' starke Burg ist unser Gott« ansetzte, musste er lachen. Denn das Innere des Lieferwagens war in der Tat eine Burg: ein Ort, wo er vor der Welt sicher war, doch die Welt würde niemals sicher vor ihm sein.
Den zweiten Satz lederner Handfesseln brachte er gegenüber der
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