13 - Wo kein Zeuge ist
»Funkmietwagenfahrer. Oder Busfahrer wäre auch möglich, denn keiner der Leichenfundorte ist weit von einer Busstrecke entfernt.«
»Der Profiler sagt, er hat einen Job, der bei weitem nicht seinen Fähigkeiten entspricht«, räumte Lynley ein, obwohl es ihm zuwider war, Hamish Robson nach seiner Konfrontation mit Hillier auch nur zu erwähnen.
»Kurierdienst wär auch noch möglich«, merkte einer der DCs an. »Mit einem Moped durch die Stadt zu fahren verschafft einem so gute Ortskenntnisse wie die Taxifahrerprüfung.«
»Oder selbst mit dem Fahrrad«, sagte ein anderer.
»Aber wie passt der Lieferwagen da rein?«
»Privatwagen? Er braucht ihn nicht für seinen Job?«
»Was wissen wir über den Lieferwagen?«, fragte Lynley. »Wer hat mit der Zeugin von St. George's Gardens gesprochen?«
Ein Constable von Team zwei antwortete. Eine behutsame Befragung der Zeugin hatte ursprünglich nichts ergeben, aber gestern Abend hatte sie noch einmal angerufen, weil sie sich plötzlich an etwas erinnerte. Sie hoffte jedenfalls, es sei eine echte Erinnerung, sagte sie, und nicht eine Kombination ihrer Einbildung und des Wunsches, der Polizei zu helfen.
Wie dem auch sei, sie meinte, sie könne mit einiger Sicherheit sagen, dass es ein geschlossener Lieferwagen war. Verblasste weiße Schrift war auf den Seiten, was darauf hindeutete, dass der Wagen irgendeiner Firma gehörte oder zumindest gehört hatte.
»Das bestätigt im Grunde, dass es sich um einen Ford Transit handelt«, fügte Stewart hinzu. »Wir arbeiten die Liste der Zulassungsbehörde durch auf der Suche nach einem roten Wagen, der auf eine Firma zugelassen ist.«
»Und?«
»Das dauert seine Zeit, Tommy.«
»Wir haben aber keine Zeit.« Lynley hörte selbst die Erregung in seiner Stimme und wusste, die anderen hörten sie auch. Es war der denkbar schlechteste Moment, um daran erinnert zu werden, dass er nicht Malcolm Webberly war, dass er weder die Ruhe des früheren Superintendent besaß noch dessen Unbeirrbarkeit, wenn er unter Druck stand. Er sah in den Gesichtern der Umstehenden, dass die anderen Beamten genau das Gleiche dachten. Er fuhr ruhiger fort: »Mach in der Richtung weiter, John. Ich will sofort informiert werden, wenn du irgendetwas hast.«
»Etwas haben wir schon.« Stewart hatte nach Lynleys Ausbruch den Blickkontakt abgebrochen. Stattdessen machte er eine Anmerkung auf seiner säuberlichen Skizze und unterstrich sie dreimal. »Wir haben zwei Bezugsquellen im Internet gefunden für dieses Ambra-Öl.«
»Nur zwei?«
»Es ist keine alltägliche Ware. Die beiden Bezugsquellen liegen in entgegengesetzten Richtungen: Die eine ist ein Laden namens Crystal Moon an der Gabriel's Wharf ...«
»Schon wieder südlich der Themse«, warf jemand hoffnungsvoll ein.
»... die andere ein Stand auf dem Camden Lock Market namens Wendy's Cloud. Irgendwer muss sich beide ansehen.«
»Barbara wohnt in der Gegend um Camden Lock«, sagte Lynley. »Sie soll das übernehmen. Winston kann ... Wo ist er eigentlich?«
»Versteckt sich wahrscheinlich vor Hillier«, lautete die Antwort. »Er kriegt neuerdings schon Fanpost von den Fernsehzuschauerinnen, unser Winnie. All die einsamen Bräute auf der Suche nach einem viel versprechenden Kerl ...«
»Ist er im Haus?« Niemand wusste es. »Dann rufen Sie ihn auf dem Handy an. Havers auch.«
Noch während er das sagte, kam Barbara Havers herein. Sekunden später folgte Winston Nkata. Die Beamten begrüßten sie mit stressabbauendem Gegröle und schlüpfrigen Bemerkungen, die andeuteten, dass sich hinter ihrem gleichzeitigen Eintreffen eine Erklärung privater Natur verbarg.
Havers zeigte ihnen zwei Finger. »Ihr könnt mich alle mal«, sagte sie liebenswürdig. »Ich bin überrascht, euch außerhalb der Kantine anzutreffen.«
Nkata sagte lediglich: »Tut mir Leid. Ich hab versucht, einen Sozialarbeiter zu finden, der für den Salvatore-Jungen zuständig war.«
»Mit Erfolg?«, fragte Lynley.
»Absolut nichts.«
»Bleiben Sie dran. Übrigens, Hillier sucht Sie.«
Nkata machte ein finsteres Gesicht. Dann sagte er: »Ich hab von den Kollegen in Peckham etwas über Jared Salvatore erfahren.« Er fasste alle Informationen zusammen, die er gesammelt hatte, während die anderen lauschten und sich Notizen machten. »Die Freundin hat gesagt, er hätte irgendwo einen Kochkurs gemacht, aber die Jungs auf der Wache hielten das nicht für glaubwürdig«, schloss er.
»Lass jemanden die Kochschulen überprüfen«, sagte
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