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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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winzig kleinen Seriennummern versehen waren, wovon Kimmo freilich nichts wusste. Und das Letzte, womit er gerechnet hatte, war, dass die Besitzer Freitag um Freitag auf den Markt kommen würden, um nach ihrem Eigentum zu suchen. Als sie es an seinem Stand entdeckten, haben sie uns sofort angerufen. Ich bin hingefahren und ...« Er hob die Hände zu einer Geste, die besagte: Der Rest ist bekannt.
    »Vorher hatten Sie keine Ahnung, dass er Diebesbeute aus seinen Einbrüchen dort anbot?«
    »Er war wie ein Hund, der nie seinen eigenen Zwinger beschmutzt«, erklärte Gill. »Wenn er das Gesetz brechen wollte, tat er es in einem anderen Revier. In der Beziehung war er sehr schlau.«
    Und darum, erklärte Gill weiter, war der Verkauf gestohlener Güter als Kimmos erster Gesetzesverstoß in den Akten erschienen. Und deswegen hatte das Gericht ihn nur zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Auch das bedauerte der Detective Sergeant zutiefst. Hätte man Kimmo Thorne ernst genommen und ihn nicht nur mit einem Klaps auf die Finger und der Auflage, sich regelmäßig bei seinem Bewährungshelfer beim Jugendamt zu melden, laufen lassen, hätte er sich vielleicht geändert und könnte noch leben. Aber leider war das nicht geschehen. Vielmehr hatte man ihn zu einer Hilfsorganisation für gefährdete Jugendliche geschickt, die versucht hatte, mit ihm zu arbeiten.
    Barbara horchte auf. Hilfsorganisation?, fragte sie. Was? Wo?
    Es war eine wohltätige Einrichtung namens Colossus, erklärte Gill. »Ein gutes Projekt, gleich hier auf der Südseite des Flusses«, fuhr er fort. »Sie bieten den jungen Leuten eine Alternative zum Leben auf der Straße, zu Verbrechen und Drogen, mit Sportangeboten, Gruppenerfahrungen und allen möglichen Kursen ... Und das Angebot gilt nicht nur für kriminalitätsgefährdete Jugendliche, sondern auch für junge Obdachlose, Schulschwänzer, Kinder in Pflege ... Ich muss gestehen, dass ich Kimmo weniger Aufmerksamkeit gewidmet habe, als ich wusste, dass er zu Colossus geschickt worden war. Irgendwer wird ihn dort sicher unter seine Fittiche nehmen, habe ich gedacht.«
    »Als Mentor?«, fragte Barbara. »Läuft das da so?«
    »Das hätte er jedenfalls gebraucht«, erwiderte Gill. »Jemanden, der ein wenig Interesse für ihn zeigte und der ihm half, seinen eigenen Wert zu erkennen, an den er nicht so recht glaubte. Jemanden, an den er sich wenden konnte. Irgendjemanden ...« Gill unterbrach sich abrupt, als sei ihm plötzlich klar geworden, dass er hier nicht als Polizist Informationen weitergab, sondern Initiativen einforderte wie ein übereifriger Sozialarbeiter. Er spreizte die Finger, die die Teetasse umklammert hielten.
    Kein Wunder, dass der Tod des Jungen ihm zu schaffen macht, dachte Barbara. Bei seiner Einstellung fragte sie sich nicht nur, wie lange er schon Polizist war, sondern auch, wie er es aushielt, in diesem Beruf zu bleiben, bei allem, was er hier Tag für Tag erlebte. Sie sagte: »Wissen Sie, es ist nicht Ihre Schuld. Sie haben getan, was Sie konnten. Tatsächlich haben Sie mehr getan, als die meisten Kollegen zu tun bereit gewesen wären.«
    »Aber wie sich herausgestellt hat, habe ich nicht genug getan. Und damit muss ich jetzt leben. Ein Junge ist tot, weil Detective Sergeant Gill sich nicht motivieren konnte, genug zu tun.«
    »Aber es gibt Millionen von Kindern wie Kimmo«, protestierte Barbara.
    »Und die meisten von ihnen leben noch.«
    »Sie können nicht allen helfen. Sie können nicht jeden Einzelnen retten.«
    »Das ist es, was wir uns einreden, nicht wahr?«
    »Was sonst sollen wir uns einreden?«
    »Dass es nicht unsere Aufgabe ist, sie alle zu retten. Unsere Aufgabe ist aber, denjenigen zu helfen, mit denen wir zu tun haben. Und das habe ich versäumt, Constable.«
    »Verdammt, gehen Sie nicht so hart mit sich ins Gericht.«
    »Wer sollte es sonst tun?«, antwortete er. »Sagen Sie es mir, wenn Sie können. Denn ich bin überzeugt: Wenn mehr von uns hart mit sich ins Gericht gingen, hätten mehr Kinder die Chance auf ein Leben, das alle Kinder verdienen.«
    Barbara schlug die Augen nieder. Sie wusste, dass sie dem nicht widersprechen konnte. Doch die Tatsache, dass sie das Bedürfnis verspürte, zeigte ihr, wie nah sie daran war, selbst zu intensiv Anteil zu nehmen. Und sie wusste, das machte sie Gill ähnlicher, als sie - Teil des Teams, das diese Serienmorde bearbeitete - es sich leisten konnte.
    Das war die Ironie an der Polizeiarbeit: Wenn man zu wenig Anteil nahm, mussten

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