13 - Wo kein Zeuge ist
Lynley zu DI Stewart. Der nickte und schrieb es auf. »Havers?«, fragte Lynley. »Wie steht es mit Kimmo Thorne?«
Sie berichtete, dass die Beamten der Borough-Polizeiwache alles bestätigt hatten, was sie von Blinker und dann von den Grabinskis und von Reg Lewis auf dem Bermondsey Market gehört hatten. Sie erklärte weiter, dass Kimmo Thorne offenbar in einem Betreuungsprogramm namens Colossus gewesen war, das sie als »einen Haufen Gutmenschen auf der anderen Flussseite« beschrieb. Sie war dort gewesen und hatte sich die Einrichtung angeschaut: ein renoviertes Fabrikgebäude unweit des Knotenpunkts, wo etliche Straßen in Elephant and Castle zusammenflossen. »Sie hatten noch geschlossen«, fuhr Havers fort. »Alle Türen waren verriegelt und verrammelt, aber draußen warteten ein paar Jugendliche auf jemanden, der sie reinließ.«
»Was haben sie Ihnen erzählt?«, wollte Lynley wissen.
»Absolut gar nichts«, antwortete Havers. »Ich hab gefragt: ›Habt ihr was mit diesem Laden zu tun?‹, und sie wussten sofort, dass ich ein Bulle bin. Und damit war die Unterhaltung beendet.«
»Dann bleiben Sie dran.«
»Wird gemacht, Sir.«
Lynley fasste für sie zusammen, was Hamish Robson über den jüngsten Mord zu sagen gehabt hatte. Er sagte ihnen nicht, dass der Profiler von Hillier zum Tatort geschickt worden war. Es hatte keinen Sinn, sie gegen etwas aufzubringen, über das sie keine Kontrolle hatten. Also beschrieb er lediglich das veränderte Verhalten des Täters dem letzten Opfer gegenüber und die Indizien, die darauf hinwiesen, dass er zu jedem der Tatorte zurückkehren könnte.
Als er dies hörte, organisierte DI Stewart Observierungen an allen bisherigen Leichenfundorten, ehe er in einer anderen Sache Bericht erstattete: Die Beamten, die sich durch alle Videoüberwachungsbänder aus den Umgebungen der Fundorte gearbeitet hatten, setzten ihre Bemühungen fort. Es war nicht gerade ein fesselndes Fernsehprogramm, aber die fraglichen Constables blieben beharrlich bei der Sache, unterstützt von eimerweise Kaffee. Sie hielten nicht nur nach einem Lieferwagen Ausschau, sondern auch nach jedem anderen Transportmittel, um eine Leiche von A nach B zu bringen, möglicherweise eines, das den Nachbarn nicht auffiel: Milchautos, Straßenfegerkarren und Ähnliches.
Weiter informierte er sie, dass ein Bericht von SO7 zum Make-up, das Kimmo Thorne getragen hatte, gekommen war. Die Marke hieß »No. 7« und gehörte zum Standardsortiment von Boots - einer der größten Drogeriemarktketten. Wollte der Superintendent, dass sie alle Überwachungsvideos der Boots-Filialen in der Nähe von Kimmo Thornes Zuhause anschauten? Stewart klang nicht so, als finde er die Aussicht besonders erbaulich. Trotzdem wies er darauf hin: »Das könnte uns weiterbringen. Ein Kassierer, dem die sexuelle Ausrichtung des Thorne-Jungen nicht gefiel und der ihn deswegen umbringen will. Irgendwas in der Art.«
Zum jetzigen Zeitpunkt wollte Lynley keine Möglichkeit ausschließen. Also erteilte er Stewart den Auftrag, ein Team zusammenzustellen, um alle Überwachungsvideos der Boots-Filialen in der Nähe von Kimmo Thornes Wohnung in Southwark auszuwerten. Er selbst teilte die beiden Bezugsquellen für Ambra-Öl Nkata und Havers zu und wies Havers an, auf dem Heimweg heute Abend bei Wendy's Cloud vorbeizuschauen. Jetzt solle sie ihn erst einmal nach Elephant and Castle begleiten. Er war entschlossen, persönlich herauszufinden, welche Erkenntnisse ein Besuch bei Colossus erbrachte. Wenn einer der Jungen mit dieser Einrichtung zu tun gehabt hatte, war nicht auszuschließen, dass auch die anderen, noch nicht identifizierten Opfer, dort verkehrt hatten.
»Könnte der neue Fall ein Trittbrettfahrer sein?«, fragte Havers. »Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Ich meine, ich weiß, wie Robson die Unterschiede zwischen dieser Leiche und den früheren erklärt, aber diese Unterschiede könnten auch darauf zurückzuführen sein, dass wir es mit einem Täter zu tun haben, der einiges, aber nicht alles über die Morde weiß, oder?«
Das war nicht auszuschließen, pflichtete Lynley ihr bei. Doch Tatsache war, dass Trittbrettfahrer sich auf die Informationen durch die Medien stützten, und wenngleich sie im Ermittlungsteam eine undichte Stelle hatten, wusste er doch, dass diese erst seit kurzem existierte. Das bewies der Umstand, dass die Presse sich mit solch großem Eifer auf die Hautfarbe des jüngsten Opfers bezog, obwohl es weit sensationellere
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