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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Blick glitt von Barbara zum Korridor in die Richtung, wo Ulrike Ellis' Büro lag. Barbara erkannte, dass diese Neuigkeit offenbar noch nicht die Runde gemacht hatte. Und das war eigenartig, bedachte man, dass Ulrike Reverend Savidge am Telefon versprochen hatte, mit dem Computerlehrer des vermissten Jungen zu sprechen.
    Greenham fragte: »Sean Lavery?«
    »Bingo.«
    »Er ist einfach noch nicht gekommen.«
    »Hätten Sie das nicht melden müssen?«
    »Später am Tag schon. Aber er könnte sich doch einfach verspätet haben.«
    »Wie der Evening Standard berichtet, ist heute Morgen gegen halb sechs ein toter Junge in der Umgebung der London Bridge entdeckt worden.«
    »Sean?«
    »Das wissen wir noch nicht. Aber falls ja, sind es schon zwei.«
    »Kimmo Thorne auch. Derselbe Mörder, meinen Sie. Ein Serientäter ...«
    »Ah. Irgendwer hier liest doch die Zeitung. Ich fing schon an, mich ein bisschen zu wundern, warum niemand hier weiß, dass Kimmo tot ist. Sie wussten es, aber Sie haben mit keinem Ihrer Kollegen darüber gesprochen?«
    Greenham verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Es gibt hier so was wie zwei Lager«, räumte er ein, und es klang ein wenig unbehaglich. »Ulrike und die Einstufungsleute auf der einen Seite, der Rest von uns auf der anderen.«
    »Und Kimmo war noch in der Einstufungsphase.«
    »Genau.«
    »Aber trotzdem kannten Sie ihn.«
    Greenham gedachte offenbar nicht, sich von dem angedeuteten Vorwurf aus dem Konzept bringen zu lassen. Er sagte: »Ich wusste, wer er war. Aber wer hätte nicht gewusst, wer Kimmo war? Ein Transvestit mit Lidschatten und Lippenstift. Er war kaum zu übersehen und erst recht nicht leicht zu vergessen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich war also nicht der Einzige. Alle kannten Kimmo bereits fünf Minuten, nachdem er zum ersten Mal durch die Tür gekommen ist.«
    »Und dieser andere Junge? Sean?«
    »Ein Einzelgänger. Ein bisschen feindselig. Er wollte nicht hier sein, aber er war gewillt, es mit dem Computerkurs zu versuchen. Früher oder später hätten wir zu ihm durchdringen können, glaube ich.«
    »Vergangenheitsform«, bemerkte Barbara.
    Greenhams Oberlippe war feucht. »Diese Leiche ...«
    »Wir wissen nicht, wer es ist.«
    »Wahrscheinlich habe ich vermutet ... weil Sie hier sind und all das ...«
    »Vermutungen sind nie eine gute Idee.« Barbara holte ihr Notizbuch hervor. Sie sah das Erschrecken auf Greenhams Pfannkuchengesicht. »Erzählen Sie mir ein bisschen über sich selbst, Mr. Greenham«, bat sie.
    Er fasste sich schnell. »Adresse? Ausbildung? Familiäres Umfeld? Hobbys? Ermorde ich männliche Jugendliche in meiner Freizeit?«
    »Fangen Sie damit an, mir zu erklären, wo Sie hier in der Hierarchie stehen.«
    »Es gibt keine Hierarchie.«
    »Sie sagten etwas von geteilten Lagern. Ulrike und die Einstufungsleute auf der einen Seite, alle Übrigen auf der anderen. Wie kommt das?«
    »Sie haben das missverstanden«, erwiderte er. »Diese Teilung hat etwas mit Informationen zu tun und wie sie weitergegeben werden. Das ist alles. Davon abgesehen, ziehen wir hier bei Colossus alle an einem Strang. Wir retten Kinder. Das ist es, wofür wir uns einsetzen.«
    Barbara nickte nachdenklich. »Erzählen Sie das Kimmo Thorne. Wie lange sind Sie schon hier?«
    »Vier Jahre.«
    »Und davor?«
    »Ich bin Lehrer. Ich habe in Nordlondon gearbeitet.« Er nannte ihr den Namen einer Grundschule in Kilburn. Ehe sie fragen konnte, erklärte er ihr, er habe die Stelle aufgegeben, weil er festgestellt habe, dass er lieber mit älteren Kindern arbeite. Außerdem habe er Meinungsverschiedenheiten mit der Schulleiterin gehabt, fügte er hinzu. Als Barbara sich erkundigte, was für eine Art von Meinungsverschiedenheiten, erklärte er unumwunden, dass es dabei um Disziplin gegangen sei.
    »Und auf welcher Seite des Zauns standen Sie?«, fragte Barbara. »Plädieren Sie eher für eine harte Hand oder für Laisser-faire?«
    »Sie haben eine Vorliebe für Klischees, was?«
    »Ich bin ein wandelndes Klischeelexikon. Also ...?«
    »Es ging nicht um körperliche Züchtigung«, erklärte er ihr. »Sondern um die Wahrung der Disziplin im Klassenzimmer: den Entzug gewisser Privilegien, eine eindringliche mündliche Verwarnung, vorübergehende soziale Ächtung. Solche Dinge.«
    »Öffentliche Bloßstellung? Ein Tag am Pranger?«
    Er lief rot an. »Ich versuche, offen zu Ihnen zu sein. Ich weiß sowieso, dass Sie dort anrufen werden. Man wird Ihnen sagen, dass wir

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