1300 - Die Templerin
um die Tür zu öffnen, damit der Besucher eintreten konnte.
Kurz davor stoppte Bernado.
Er legte den Kopf zurück und warf einen Blick zum Himmel, der sehr bedeckt war. Dunkle Wolken hatten sich verteilt, aber es war kein kühler Wind aufgekommen. Nach wie vor herrschte eine bedrückende Schwüle, die schwer über dem Ort lastete und die Menschen kaum durchatmen ließ.
Die Wachtposten hatten eine noch steifere Haltung eingenommen. Ihre Blicke waren stur nach vorn gerichtet. Sie starrten an dem hohen Besucher vorbei, der sie mit keinem Blick würdigte.
Aus dem Innern des Turms wehte ihm die Luft entgegen, die er nicht mochte.
Es war eine bestimmte Kälte. Sie hatte sich zwischen den Mauern gestaut, und sie war immer vorhanden, ob im Sommer oder im Winter. Sie allein machte das Ungemach nicht aus. Es gab da noch etwas anderes, etwas das man nur schlecht beschreiben konnte. Es war die Angst, die hier herrschte. Sie setzte sich zusammen aus dem Geruch der Tränen, dem des Blutes und auch der Fäkalien, die die Gefangenen in ihrer Angst oft unter sich gehen ließen.
Der Großinquisitor wusste genau, dass dieser Geruch nicht entfernt werden konnte. Deshalb nahm er ihn auch bei seinen seltenen Besuchen hin. Wenn er dann wieder in seine Welt zurückkehrte, musste die Kleidung sofort gewaschen werden.
War der Gefängnishof noch breit und auch luftig gewesen, so änderte sich dies sehr schnell. Der Geruch schlug ihm auf den Magen. Er verzog das Gesicht. Neben der Treppe blieb er stehen.
Sie führte in die Höhe, wo sich einige Kammern befanden, in denen sich die Folterer und Wächter aufhalten konnten.
Dort wollte er nicht hin, aber er sah Bruder Lorenzo kommen, den Anführer der Folterknechte. Lorenzo war ein kleiner, dicker Mann, aber ungemein kräftig und brutal. Er hatte sich besonders auf Frauen eingeschossen und folterte sie gern extrem.
Ein Heuchler, ein bigottes Schwein, doch für Bernado gerade der richtige Mann. Lorenzo trug eine schwarze Kutte, und die Narbe auf seiner linken Wange leuchtete als feuerrotes Mal. Er hatte beim Schmieden des Eisens mal nicht aufgepasst. So war ihm ein glühendes Stück abgesprungen und gegen das Gesicht geprallt, wo es sich fast wie ein Klebemittel festgekrallt hatte.
Bernado schaute ihm entgegen. Lorenzo kam hechelnd näher.
Voller Demut küsste er dem Großinquisitor die Hand.
»Exzellenz, ich…«
»Ja, ja, lass das.« Bernado war unwirsch. Das Rheuma malträtierte ihn. Die feuchte Luft war bestimmt nicht gut für ihn, aber er musste die Ketzerin noch mal sehen.
»Hast du alles vorbereitet?«
»Ja.« Ein widerliches Grinsen umspielte die feuchten Lippen des Mannes. »Wir haben sie gewaschen und ihr ein Kleid gegeben.«
»Sonst noch etwas?«
»Unter dem Kleid ist sie nackt, Exzellenz!«
»Narr, das meine ich nicht. Wie habt ihr sie gefesselt? Oder ist sie frei?«
»Nein, sie ist an ihrem rechten Fuß angekettet worden.«
»Das wollte ich nur wissen.«
Lorenzo schaute zu dem größeren Mann hoch. »Exzellenz, soll ich Sie begleiten?«
»Nein, ich finde den Weg allein. Warte hier auf mich. Ich werde bald wieder zurück sein.«
Der Folterknecht verneigte sich und ließ den Großinquisitor gehen.
Bernado bewegte sich mit gemessenen Schritten tiefer in das Verlies hinein. Auch wenn er nicht beobachtet wurde, ging er auf diese Art und Weise. Ein Herrscher lief und rannte nicht. Er schritt. Er war sich seiner Würde sehr wohl bewusst. Auch in seinem Gesicht veränderte sich nichts. Der Ausdruck blieb weiterhin so entrückt wie immer und zugleich auch starr.
Nur die Augen hatten eine Veränderung erlebt. Sie glänzten in einer bestimmten Gier und spiegelten etwas von der innerlichen Freude wider, die er empfand.
Es war eben die Freude eines Mannes, der darauf wartete, eine bestimmte Person des weiblichen Geschlechts zu treffen. Offen hätte er das nie zugegeben, aber wenn er allein mit dieser Person sein konnte, lagen die Dinge schon anders.
Es gab keine Treppe, die ihn in die düstere Welt des Todes und der Pein gebracht hätte. Der Weg führte einfach nur bergab und wäre von der Dunkelheit aufgesaugt worden, wäre er nicht von Fackeln gesäumt gewesen.
Seinetwegen hatte man sie entzündet. Sie steckten an der rechten Wandseite in eisernen Haltern. Da der Gang recht eng war, musste sich der Inquisitor an der linken Wandseite halten, um nicht vom Feuer berührt zu werden. Ab und zu spürte er schon die heißen Zungen, wenn sie über seine rechte Gesichtsseite
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