1300 - Die Templerin
für das große Erschrecken, sah sie für einen Moment als starre Puppen und zauberte mein bestes Lächeln hervor, als ich mich für mein Verhalten entschuldigte.
»Das kann ja immer passieren«, sagte die Kleinere der beiden, die eine Strickmütze auf dem Kopf trug und ihren Körper in einen langen Mantel gehüllt hatte. In ihrem Gesicht fielen die grünlichen Augen auf, und ich sah auch, dass sie sehr lange Finger hatte.
Ihre Freundin war größer. Das braune Haar hatte sie wild schneiden lassen, sodass es eine Strubbelfrisur bildete. Auf ihrem Gesicht sah ich einige Pickel, und der strenge Blick dunkler Augen erinnerte mich an den einer Gouvernante.
Ich wollte natürlich nicht sofort wieder zurück in mein Zimmer, sondern die Situation auskosten.
Etwas überlaut klang mein Lachen. »Das ist eine Überraschung, dass ich in dieser Öde zwei Landsleute treffe. Damit hätte ich nie gerechnet. Darf ich fragen, was Sie hierher verschlagen hat?«
»Nein, Sie dürfen es nicht!«, erklärte die Strenge.
»Sorry, wenn ich Ihnen zu nahe getreten bin, aber ich freue mich eben über vertraute Töne. Ich habe mich irgendwie verirrt. Ich wollte bis Santiago de la Campostela fahren, aber bin irgendwie vom Weg abgekommen und wollte mir das Land hoch an der Strecke anschauen. Und nun bin ich hier gelandet.«
»Dann fahren Sie wieder hin.«
»Ja, morgen. Sind Sie dann auch noch hier?«
Mich traf ein scharfer Blick der Strengen. »Sie sind zu neugierig, Mister, und das ist oft nicht gut. Gehen Sie Ihren Weg und lassen Sie uns zufrieden.«
»Keine Sorge, das werde ich. Ich wundere mich nur darüber, dass so viele Frauen im Ort sind. Aber es hängt wohl mit der Wallfahrt zusammen, denke ich.«
»Ach, Sie wissen davon?«
Ich gab mich bei der Antwort etwas verlegen. »Es ließ sich eben nicht vermeiden. Man hat ja Augen im Kopf. Ich kann mir ja nicht permanent die Ohren zuhalten.«
»Vergessen Sie die Wallfahrt, Mister!«
Ich runzelte die Stirn. »Ja… nein … äh … warum?«
»Sie ist nur für Frauen bestimmt. Männer stören. Deshalb wäre es wirklich besser, wenn Sie wieder fahren.« Ich bekam noch ein Kopfnicken geschenkt, dann musste ich zurücktreten, weil sich die beiden Frauen an mir vorbeidrängen wollten.
In mein Zimmer ging ich noch nicht zurück, sondern schaute ihnen nach. Auch weil ich wissen wollte, in welches Zimmer sie gingen. Es lag direkt neben meinem.
Die Größere betrat den Raum zuerst. Sie war sehr schnell verschwunden. Ihre Freundin zögerte noch. Bevor sie die Schwelle überschritt, warf sie noch einen Blick zurück.
Ich wich ihm nicht aus. Wenn mich nicht alles täuschte, las ich in ihren Augen eine Warnung. Dann war auch sie verschwunden, und ich stand allein vor meiner Zimmertür.
Nachdenklich ging ich wieder zurück in das Zimmer. Bisher war ich der Überzeugung gewesen, dass die Dinge nicht so gravierend oder schlimm waren. Das hatte sich nach dem kurzen Gespräch mit den beiden schon verändert. Hier braute sich einiges zusammen, das sagte mir mein Gefühl.
Frauen, die eine mächtige Ikone verehrten. Eine Templerin, von der ich nicht viel wusste. Godwin de Salier hatte versprochen, mich aufzuklären, aber er war noch nicht eingetroffen, und so blieb ich mit meinen Fragen zunächst allein.
Sie ließen sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Sie waren verdammt konsequent und eigentlich das genaue Gegenteil eines normalen Wallfahrers. Der war menschlich, der war freundlich, der ruhte in der Regel in sich selbst. Das hatte ich bei ihnen nicht erlebt, und so waren sie für mich auch keine normalen Wallfahrerinnen.
Mal sehen, wie es weiterging. Auch bei mir, denn ich hatte wirklich keine Lust, die nächsten Stunden in diesem mehr als ungewöhnlichen Zimmer zu verbringen. Da wollte ich mich lieber draußen umschauen, und dort würde mich auch Godwin de Salier finden.
Noch war Coleda ein Ort des Schweigens. Nur war es für mich ein anderes Schweigen. Es kam mir kalt und verfälscht vor. Man konnte es auch als ein eisiges Schweigen ansehen.
Ich glaubte nicht, dass mir eine der Frauen eine Auskunft erteilen würde. Wenn ich etwas wissen wollte, dann musste ich schon selbst aktiv werden.
Am Abend sollte die Wallfahrt beginnen. Mit einem Fackelzug und so weiter. Nur wollte ich so lange nicht warten. Stundenlang im Zimmer herumzusitzen, war nicht meine Art. Ich wollte die Zeit nutzen und mich draußen umschauen. Das heißt, ich wollte mir den Ort der Wallfahrt schon vorher anschauen.
Als ich
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