1300 - Die Templerin
zuvor in seinem Leben war er von einer anderen Person so angefahren worden. Am Schlimmsten war, dass sie ihn durchschaute, als hätte sie es geschafft, bis in die Abgründe seiner Seele hineinzublicken. Er, Herr über Leben und Tod, wurde wie der letzte Verbrecher und Söldner angeschrien. Allein das hätte bei anderen Menschen den Tod bedeutet, doch hier galten andere Gesetze.
»Warum sagst du denn nichts, großer Herrscher? Hat es dir die Sprache verschlagen, weil ich die Wahrheit sagte?«
»Du machst es mir schwer, dich vor dem Tod zu bewahren.«
Die Frau hob die dunklen Augenbrauen und schaute ihn spöttisch an. »Hast du das wirklich vor? Willst du dein eigenes Urteil in Frage stellen? Ich kann es nicht glauben.«
»Deshalb bin ich hier.«
Konstanza lächelte und nickte. »Dann wirst du meine Kette lösen und mich laufen lassen, wie?«
»So könnte es sein.«
»Und warum ist es nicht so?«
»Es gibt eine Bedingung, die ich stellen werde. Danach sehen wir weiter.«
»Was ist das für eine Bedingung?«
»Du wirst dir dein Kleid ausziehen!« Jetzt war es heraus. Er hatte es mit zitternder Stimme gesagt. Er war über seinen eigenen Schatten gesprungen. Er konnte nicht mehr zurück, und er spürte, dass sich seine Fingernägel in die Handballen hineinbohrten. Zugleich kam er sich größer vor, noch größer als sonst. Auch wenn sie dagegen sprach, tatsächlich aber war sie nur noch Wachs in seinen Händen.
Konstanza erschrak nicht. Sie schrie auch nicht auf. Sie nickte nur und flüsterte: »So etwas habe ich mir gedacht. Jetzt zeigst du endlich dein wahres Gesicht, das du bisher hinter der Maske der Scheinheiligkeit versteckt hast. Ja, ich weiß jetzt, weshalb du gekommen bist. Ich habe es mir sogar gedacht, als man mir den Dreck und den Schimmel von meinem Körper wusch und sogar ein Doktor kam, der mich begutachten konnte. Es geschah alles in deinem Sinne.«
»Du kannst dein Leben retten!«
Wieder musste sie lachen. »Glaubst du das? Soll ich das wirklich glauben? Nein, fürwahr nicht. Du willst mich haben, und wenn es geschehen ist, wirst du mich nicht begnadigen, sondern mich höchstpersönlich in die glühenden Kohlen legen. Es könnte ja sein, dass ich rede. Dass ich aller Welt berichte, was hier geschehen ist. Das wäre selbst für einen so moralischen Großinquisitor nicht gut. Es könnte ihn sogar seine Stellung kosten.«
»Das weiß ich alles selbst.«
»Ho, wie wundersam. Und trotzdem würdest du so handeln?«
»Genau so.«
»Warum? Was macht dich so sicher, dass ich meinen Mund halte? Sag es mir!«
»Dir würde niemand glauben. Du bist gegen mich ein Nichts. Ich aber würde es erfahren und dich vierteilen lassen. Ohne Verhandlung. Sofort. Auf der Stelle.«
Konstanza hatte genau zugehört. Sie selbst sagte zunächst nichts, aber sie überlegte.
Bernado war ein menschliches Schwein. Er war hinterhältig. Er war verlogen. Er war bigott, und er wusste seinen Vorteil und seine Stellung zu nutzen. Allein aufgrund dieser Eigenschaften hatte er es geschafft, sich bis an die Spitze hochzuarbeiten.
Wer ihm gegenüberstand und sich nicht selbst aufgeben wollte, musste so sein wie er. Nur das machte auf ihn einen gewissen Eindruck. Konstanza hatte es selbst bei der Verhandlung erlebt, und sie entschied sich dafür, mitzuspielen, was sie durch ein Lächeln ausdrückte.
»Du willst mich, nicht wahr?«, fragte sie dabei. »Und du willst mich nicht nur nackt sehen. Habe ich Recht?«
»So ist es. Keiner wird etwas erfahren.«
Sie lächelte weiter und nickte. »Was geschieht, wenn es vorbei ist? Lässt du mir die Kette lösen?«
»Du kannst frei sein, aber du wirst nicht hingehen können, wo du willst, Konstanza.«
»Aha. Nun kommt…«
»Meine Bedingung«, erklärte er mit harter Stimme. »Du wirst in ein von mir vorbestimmtes Kloster gehen. Es wird aussehen wie eine große Dankbarkeit, die du mir, der Welt und der Kirche schuldest. Eine wirklich große Reue. So werden alle zufrieden sein.«
Konstanza tat, als würde sie überlegen. »Warum ein Kloster? Willst du mich unter Kontrolle haben?«
»Auch das. Ich werde dich hin und wieder besuchen und mit dir Gespräche führen…«
»Ah ja. Nur wir beide.«
Der Großinquisitor nickte. »Genauso habe ich es mir vorgestellt. Du wirst immer für mich da sein. Hast du gehört?« Er lächelte und kicherte dabei. »Es ist doch eine Lösung, die uns beiden gut tun wird.«
»Das denke ich auch.«
»Dann zeige dich bereit!«
Konstanza wusste, was er
Weitere Kostenlose Bücher