1301 - Kreuzzug des Bösen
riss sie ebenfalls mit zu Boden.
Beide Frauen blieben liegen. Die eine, weil sie nicht mehr aufstehen konnte, die andere, weil der Schock über das Geschehene sie hatte starr werden lassen.
Godwin de Salier saß noch immer mit dem Rücken zur Mauer.
Die Waffe in seiner Hand war plötzlich so schwer gewesen, dass er sie nicht mehr in ihrer ursprünglichen Position halten konnte. So sank die Hand wieder nach unten und landete auf seinem Oberschenkel.
Allmählich normalisierte sich auch sein Herzschlag wieder. Er konnte auch freier durchatmen, und er stöhnte leise vor sich hin.
Für einen Moment musste er die Augen schließen. Als er sie wieder öffnete, da wusste er, dass es kein Traum gewesen war.
Anne bewegte sich. Sie kroch auf allen vieren zu ihrer Freundin hin und beugte sich über sie. Das Einschussloch war nicht zu sehen, aber aus der Wunde war Blut gequollen, denn als Anne ihre rechte Hand hochhob, da schimmerte es an deren Ballen feucht.
»Sie ist tot«, flüsterte sie mit einer Stimme, in der es keine Modulation mehr gab. »Verstehst du das? Sie ist tot! Tot, verdammt noch mal! Einfach so. Erschossen von dir.«
»Sie hätte sonst mich getötet«, flüsterte der Templer.
Anne blickte ihn an. Beinahe sezierend, als wollte sie durch ihren Blick herausfinden, ob er auch die Wahrheit gesagt hatte.
»Sie hätte den Stein geworfen.«
»Genau«, sagte Godwin.
»Und ich hätte es auch getan.«
»Ich weiß.«
»Aber ich konnte nicht so recht und…« Sie verstummte. Jetzt stand sie auf. Zwar hatte Anne mit Godwin gesprochen, nur war ihr Blick an ihm vorbeigegangen. Sie stand mit langsamen Bewegungen auf, blieb auf der Stelle stehen und drehte den Kopf, um sich umzuschauen.
»Was ist mit dir?«, fragte de Salier.
»Ich gehe weg. Ja, ich gehe weg. Das muss ich tun. Ich will nicht mehr bleiben.«
»He, wo willst du denn hin?«
»Weg…«
»Zu den anderen Frauen?«
Anne zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Ich weiß gar nichts mehr.« Sie starrte ins Leere.
»Du könntest an meiner Seite bleiben. Ich denke auch, dass ich dich beschützen kann.«
Sie sagte nichts mehr. Sie ging einfach.
Godwin fluchte. Er rief ihr etwas nach, aber Anne hörte nicht auf ihn.
Auch Godwin hatte keine Lust mehr, noch länger auf dem Friedhof zu verweilen. Er war soeben noch mit dem Leben davongekommen, doch eine große Erleichterung durchströmte ihn nicht. Er hatte nicht schießen und erst recht nicht töten wollen. Aber die Gefahr war einfach zu groß gewesen. Er hatte sein Leben retten müssen.
Vor ihm lag quer die Tote. Seine Füße berührten beinahe ihren starren Körper. Godwin steckte die Waffe weg und ging sehr langsam auf die Frau zu.
Er sah das Einschussloch.
Es lag in Höhe des Herzens. Also hatte das Geschoss sie auch ins Herz getroffen. Augen ohne Leben waren starr gegen den dunklen Himmel gerichtet. Der Mund war nicht geschlossen. Es sah aus, als wollte die Frau noch einmal Atem holen.
Das würde sie nicht mehr können. Godwin schloss ihr die Augen und quälte sich auf die Beine. Wieder erfasste ihn ein Schwindel. Er musste sich an einem steinernen Engel abstützen, sonst wäre er gefallen. Auch so ging es ihm schlecht. Er schlurfte über den feinen Kies. Godwin hätte zurück zum Auto gehen können. Genau das wollte er nicht. Die Kirche war nur einige Meter von ihm entfernt.
Sie war für ihn plötzlich sehr wichtig geworden.
Als läge eine schwere Last auf ihm, so bewegte er sich den letzten Rest der Strecke. Die Tür war nicht abgeschlossen, darüber freute er sich. Er stieß sie nach innen, schlurfte in das kleine Gotteshaus hinein und suchte sich als Ziel die erste, für ihn erreichbare Bank aus.
Dort ließ er sich nieder und faltete die Hände…
***
Mit einem Rad zu fahren, macht richtig Spaß. Besonders dann, wenn es durch einen Wald geht oder die Tour am Strand entlangführt.
Bei mir traf beides nicht zu, denn ich musste richtig ackern, nachdem ich die bergab führende Strecke hinter mich gelassen hatte. Da wurde das Fahren wirklich zum Stress. Ein Rad ohne Gangschaltung. Dazu der raue Boden. Gegenwind war ebenfalls vorhanden – und ich fuhr durch die Landschaft ohne Licht.
Aber ich kam von der Stelle. Das war wichtig. Ich wollte die Ruine erreichen, ohne gesehen zu werden. Das Rad schuf die besten Voraussetzungen. Einen Motor hätte man gehört.
Das Ziel sah ich.
Feuer zirkulierte durch die Nacht. Flammen, die sich von unten nach oben schoben. Lange Zungen, zuckend und
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