1303 - Blut für das Disco-Trio
zusätzlich auf, dass sie keinen Atem gemerkt hatte, obwohl sie dicht bei Anastasia stand.
»Ja, dann… äh … lass uns doch in mein Zimmer gehen. Oder hattest du etwas anderes vor?«
»Nein.«
»Gut.« Michelle schaffte wieder ein Lächeln. »Du wirst sicherlich viel zu erzählen haben.«
»Das stimmt.«
»Soll ich Sheena wecken, damit sie…«
»Nein, nein, lass sie schlafen. Zunächst können wir uns mal für eine Weile unterhalten.«
»Ganz wie du willst.« So richtig geheuer war es Michelle nicht, als sie vorging und auf die Tür ihres Zimmers zuschritt. Sie drehte sich dabei nicht um. Hätte sie es getan, dann hätte sie das Lächeln gesehen, das zwei spitze Vampirzähne entblößte.
Anastasia war hungrig und wild auf den ersten Biss!
***
»Entschuldigen Sie, dass ich erst jetzt zu Ihnen kommen kann, aber mein Job zieht sich auch oft bis in die Abendstunden hin, was man von einem Richter eigentlich nicht annehmen sollte.« Don Corelli lächelte mich an und reichte mir die Hand. Er hatte einen kräftigen Händedruck, der auf eine gewisse Zielstrebigkeit hinwies.
So ähnlich sah der Richter auch aus. Dunkelhaarig, hochgewachsen, ein schmales Gesicht mit hellwachen Augen, die sich blitzschnell in meinem Büro umschauten, das ich mir eigentlich mit Suko teilte, jetzt aber, am Abend, allein darin saß. Ich hatte auf Don Corelli gewartet, der unbedingt mit mir sprechen wollte.
Vor ihrem Verschwinden hatte Glenda noch einen guten Kaffee gekocht und ihn in eine Warmhaltekanne gekippt, die jetzt auf meinem Schreibtisch stand, nebst zwei Tassen.
Der Richter streifte seinen Mantel ab. Darunter trug er einen hellgrünen Pullover und eine rehfarbene Cordhose. Vor dem Hinsetzen stellte er eine schmale Tasse neben sich ab und freute sich, als ich zwei Tassen Kaffee einschenkte.
»Den kann man bei diesem Wetter immer gebrauchen.«
»Da sagen Sie was.«
Vom Kaffee war er begeistert. »Haben Sie ihn gekocht, Mr. Sinclair?«
»Leider nein. So etwas überlasse ich meiner Sekretärin oder Assistentin.«
»Glenda Perkins?«
»Sicher.«
»Sorry, daran habe ich im Moment nicht gedacht. Es hat sich bereits bis zu mir herumgesprochen, dass sie den besten Kaffee der Welt kochen soll. Wenn ich ihn jetzt so trinke, muss ich sagen, dass die Gerüchte der Wahrheit entsprechen.«
»Danke, das werde ich ihr sagen.«
Don Corelli trank auch einen zweiten Schluck und streckte die Beine aus. Mit gerunzelter Stirn und etwas von der Seite her schaute er mich an. »Sie werden sich bestimmt fragen, weshalb ich Sie zu dieser Stunde aufgesucht habe.«
»In der Tat.«
Er räusperte sich. »Nun ja, ich wollte es am Telefon nicht so sagen, aber es hat schon seine Gründe. Sie sollten auch nicht erschrecken, es ist nichts Schlimmes. Ich denke da eher an eine Vorbeugung, wenn Sie verstehen.«
»Noch nicht ganz.«
»Gut, dann will ich deutlicher werden. Sie wissen, dass ich von Beruf Richter bin. Mir geht es in diesem Fall um eine junge Sängerin, die mit Rauschgift gedealt hat und die ich hinter Gittern stecken musste. Ich wollte auch ein abschreckendes Beispiel für die Musikszene setzen, aber das ist jetzt Nebensache. Nun hat es diese Frau geschafft, aus dem Gefängnis zu fliehen. Sie benahm sich gut, deshalb wurde sie zur Freigängerin, und sie ist auch immer wieder zurückgekehrt. Aber in der vergangenen Nacht ist sie dann nicht mehr zurückgekommen. Sie ist also frei. Mich würde das nicht berühren, wenn ich nicht einen Anruf bekommen hätte, der mich nachdenklich gemacht hat und mich ebenfalls leicht erschreckte, weil ich so etwas nicht gewohnt bin.«
»Was hat man Ihnen gesagt?«, fragte ich und setzte die Tasse ab.
»Es war eine Drohung, Mr. Sinclair.«
»Und?«
»Dein Blut wird mir noch schmecken, du Schweinehund.«
Ich wartete ab, aber der Richter sagte nichts mehr. Und so fragte ich: »War das alles?«
»Ja, das war es.«
»Und Sie sind sicher, dass es die Person gewesen ist, die Sie verurteilt haben?«
»Hundertprozentig. Es war Anastasia, die Sängerin der Pop-Gruppe Hot Spots.«
Ich schaute ihn an und fragte mit leiser Stimme: »Was denken Sie jetzt, Mr. Corelli?«
Er hob die Schultern. »Fragen wir mal so. Was sollte ich Ihrer Meinung nach denken? Sie sind der Fachmann, Mr. Sinclair, und diese Drohung deutet auf ein bestimmtes Ereignis hin, wenn ich das richtig sehe. Man will mein Blut trinken. So etwas ist mir natürlich nicht eben geläufig, und das kenne ich nur aus gewissen Filmen, wobei mir der
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