1303 - Blut für das Disco-Trio
klingelte erneut. Diesmal in einem bestimmten Rhythmus.
Zweimal kurz, einmal lang, und genau diesen Ton kannte Michelle.
Sheena wusste ebenfalls davon, aber sie schlief in ihrem Zimmer.
Blieb nur noch die dritte Person – Anastasia!
Michelle dachte automatisch an sie, doch sie schüttelte zugleich den Kopf, denn es konnte nicht sein. Anastasia befand sich im Knast. Zwar bekam sie hin und wieder ihren Freigang, doch nicht am Abend und um diese Zeit.
Wer war es dann? Wer kannte ihr Zeichen?
Michelle hatte den Sessel schon verlassen, als sie sich diese Fragen stellte. Sie wollte es jetzt wissen und hatte mit wenigen Schritten die Zimmertür erreicht. Dahinter lag der recht breite Flur, der früher mal länger gewesen, beim Umbau allerdings gekürzt worden war. Die hohe Wohnungstür mit der Milchglasscheibe darin hatte sie noch nicht erreicht, als es ein drittes Mal schellte.
Und wieder war es ihre Melodie. Im Hausflur brannte seltsamerweise kein Licht, so konnte sie auch keinen Schatten hinter der Milchglasscheibe erkennen.
Die Kette war vorgezogen. Das blieb auch so, als Michelle die Tür einen Spalt öffnete.
Sie schaute in den Flur.
Er war dunkel.
Trotzdem erkannte sie die Person, die vor ihr stand. Ihr Herz machte einen Sprung, und der Name drang nur flüsternd über ihre Lippen.
»Himmel, du bist es…«
»Ja, ich bin es«, flüsterte Anastasia zurück…
***
Michelle wusste im ersten Moment nicht, wie sie sich verhalten sollte. Okay, sie würde Anastasia einlassen, aber mit ihrem Kommen hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Vor Staunen blieb ihr der Mund offen. Sie musste auch schlucken. Die Gedanken rasten, aber sie traute sich nicht, ein Wort zu sagen.
»Willst du mich hier stehen lassen?«, fragte Anastasia.
»Nein, nein, natürlich nicht.« Michelle schüttelte heftig den Kopf.
»Sorry, aber ich war eben zu überrascht. Mit dir hätte ich wirklich nicht gerechnet.«
»Macht nichts. Du brauchst nur die Kette zu lösen.«
»Klar, sofort.« Das Geräusch kam ihr überlaut vor, als sie den Stopper durch die Schiene zog. Noch immer war sie mit den Gedanken woanders, und die Besucherin stieß die Tür von außen auf, um den Flur betreten zu können.
Sie drückte sie auch wieder zu, ging einen Schritt in den Flur hinein und schaute sich um.
»Da ist alles noch so geblieben. Wir haben die Bilder nicht ausgewechselt, und es gibt auch noch den Garderobenständer.«
»Das sehe ich alles. Ist Sheena auch da?«
»Klar.«
»Und wo?«
»Im Bett.«
Anastasia lachte. »Klar, sie ist ja immer müde.« Dann richtete sie ihren Blick auf die Tür zu Sheenas Zimmer, ohne etwas zu sagen.
Michelle hatte Zeit, ihre Kollegin und Freundin zu beobachten.
Okay, Anastasia sah aus wie immer, dennoch kam sie ihr verändert vor. Das Haar wuchs nach wie vor so lang und glänzte wie schwarzer Lack. Die dunklen Augen, die kleine Nase, das energische Kinn, die etwas zu hohe Stirn – das war eben Anastasia.
Doch störte sie etwas.
Es konnte an den Augen liegen, die sich irgendwie tief in die Höhlen zurückgezogen hatten. Das war bei ihr schon immer der Fall gewesen, aber an diesem Abend kam es ihr vor, als hätten sie sich noch weiter zurückgezogen. Hinzu kamen die Schatten, die sich um die Augen herum gebildet hatten, und auch die ungewöhnliche Blässe der Haut trug dazu bei, ihr ein so verändertes Aussehen zu geben. Da kamen einige Dinge zusammen, die Michelle nicht gefielen. Sie wollte nicht darüber richten, denn sie hatte ja nicht im Knast gesessen, und der veränderte einen Menschen schon.
Es gab noch etwas, das sie störte. Das hing mit der Kleidung zusammen. Sie kannte den Mantel, den die Freundin trug. Er war zu leicht für den Winter, doch das war es nicht, was sie störte. Sie wunderte sich über die Schmutzflecken. Dieser Dreck hatte sich regelrecht in den Stoff hineingefressen. So einfach bekam man ihn nicht mehr weg. Da musste das Stück schon in die Reinigung gegeben werden. Auch die Hose war schmutzig, und an den Schuhen klebte ebenfalls Dreck. Das wies darauf hm, dass bei Anastasia einiges nicht gelaufen war, wie es hätte sein sollen, aber Michelle hütete sich, schon irgendwelche Fragen zu stellen. Sie wunderte sich nur darüber, dass sie sich in Gegenwart Anastasias unwohl fühlte.
»Es ist schön, wieder zu Hause zu sein.«
»Klar, Ana, das ist es.«
»Es wird auch so bleiben.«
Michelle wunderte sich nicht nur über die Antwort, die auf etwas Bestimmtes schließen ließ, ihr fiel
Weitere Kostenlose Bücher