1303 - Blut für das Disco-Trio
ich Ihnen auch nicht geben.«
Der Richter wusste, dass unser Gespräch beendet war. Er wirkte jetzt auch ein wenig erleichtert, als er sich erhob und mir zum Abschied wieder die Hand reichte. Er bedankte sich bei mir, und ich brachte ihn noch bis zur Tür des Vorzimmers.
»Aber wir können doch in Verbindung bleiben, nicht wahr?«
»Das versteht sich, Mr. Corelli.«
»Gut, bis dann.«
Ich blickte ihm nach, wie er zum Aufzug ging und dachte darüber nach, dass ich einen Termin verpatzt hatte. An diesem Freitagabend war ich mit den Conollys verabredet gewesen. Die beiden hatten mich eingeladen. Sheila wollte kochen, und einen guten Wein hatte der Reporter sowieso immer im Haus.
Außerdem wollten sie von ihrem Urlaub erzählen, den sie bei tollem Schnee in den Alpen verbracht hatten. Und ich würde Bills Neugierde befriedigen müssen, denn er würde mich nach den letzten Fällen fragen, die ich erlebt hatte.
Wieder zurück in meinem Büro, rief ich bei den Conollys an.
»Du traust dich noch, mit uns zu telefonieren?«, sagte Bill.
»Ja, warum nicht?«
»Sheila ist sauer.«
»Bestell ihr einen schönen Gruß und sag ihr, dass ich noch heute Abend einen Termin hatte. Man kann einen Richter ja schlecht sitzen lassen.«
»Worum ging es denn?«
Ich hatte Bills Neugierde angefacht wie der Wind ein Feuer. »Das erzähle ich dir später.«
»Hundesohn.«
»Beruhige Sheila in der Zwischenzeit.«
Bill lachte. »Wenn das so einfach wäre, John. Sie hat ja nicht nur auf dich geschimpft, ich habe mein Fett ebenfalls wegbekommen.«
»Du hast doch nichts getan.«
»Das weiß ich. Sie war nur der Meinung, dass ich ebenso bin wie du. Da kann man nichts machen«
»Wir werden uns später verteidigen. Ich fahre jetzt vom Büro weg.«
»Gut.«
Auch wenn Sheila leicht sauer war, was ich verstehen konnte, freute ich mich auf den Abend. Wahrscheinlich endete er wieder so, dass ich bei den Conollys übernachten musste, weil der Wein und Bills Obstbrände einfach zu gut schmeckten.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, wie die Abendstunden wirklich verlaufen würden. Auf der anderen Seite war es auch gut, wenn man nicht in die Zukunft schauen konnte…
***
»Möchtest du was trinken, Ana?«
»Nun ja, was hast du denn?«
»Wie immer. Rotwein, Weißwein, es hat sich nichts geändert.«
»Dann nehme ich einen Roten.«
»Gut, ich bin gleich wieder da.« Michelle verschwand. Auf dem kurzen Weg in die Küche wunderte sie sich darüber, dass ihre Freundin keinen Blick in ihr eigenes Zimmer hatte werfen wollen.
Aber darüber dachte sie nicht näher nach. Sie wusste nur, dass nicht alles im Lot war, denn um diese Zeit hätte sie längst wieder in der Anstalt zurück sein müssen.
Wenn sie tatsächlich ausgebrochen war, dann war die Wohnung das schlechteste Versteck, denn hier würden die Bullen sie zuerst suchen und auch finden. Danach war es vorbei mit den Vergünstigungen. Da würde sie die volle Strafe und mehr absitzen müssen.
Das musste sich Ana auch vor Augen halten. Und die Hot Spots würden weiterhin nur als Duo auftreten.
An diese Dinge dachte Anastasia nicht. Ihr Denken war sowieso ausgeschaltet. Bei ihr gab es nur die Gier nach dem ersten Schluck Blut, um die nötige Kraft zu sammeln. Etwas anderes kam für sie nicht in Frage. Die üblichen Lebensumstände nahm sie zwar in Kauf, ließ sie aber mehr an sich vorbeigleiten.
Das Zimmer hatte sich nicht verändert. Es herrschte zudem noch die gleiche Unordnung. Das wulstige Bett war nicht gemacht, und vieles stand oder lag auf dem Boden herum. CDs, Zeitschriften, die Fernbedienung, die Chipstüte, zwei leere Gläser und volle Dosen.
Das war eben typisch für Michelle.
Einen zweiten bequemen Sessel gab es nicht, und so setzte sich Anastasia aufs Bett. Da saß sie auch noch, als Michelle den Raum betrat. Neben der entkorkten Rotweinflasche hatte sie auch zwei Gläser aus der Küche mitgebracht.
»So, dann wollen wir es uns mal gemütlich machen«, sagte sie und rückte ihren leichten Sessel mit dem Fuß herum. Er blieb so stehen, damit sich die beiden Frauen gegenüberhockten. Ein Weinglas nahm Anastasia entgegen, und Michelle ließ die dunkelrote Flüssigkeit hineinlaufen. Sie schenkte sich danach selbst etwas Wein ein und ließ sich in den Sessel sinken. Die Flasche stellte sie daneben.
»Auf dich, Ana.«
»Nein, auf uns.«
»Auch das.«
Beide Frauen tranken. Es gab Unterschiede zwischen ihnen. Michelle führte ihr Glas nur sehr langsam zum Mund hin. Sie
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