1304 - Die Voodoo-Gräfin
mich stellt. Das brauche ich nicht. Das habe ich auch nicht nötig, Mrs. Dr. Wells.«
»Es gibt immer wieder Ausnahmen.«
Die Voodoo-Gräfin winkte ab. »Ich habe keine Lust, weiterhin mit Ihnen zu diskutieren. Wo finde ich die Entlaufene?«
»Gehen Sie!«
Alexandra di Baggio ging nicht. Sie schnaufte verächtlich. Sie nahm die Tierärztin nicht ernst. Als sie ging, sah es so aus, als würde sie sich in diesem für sie fremden Haus auskennen. Sie ging direkt auf die Tür zu, hinter der das Wohnzimmer lag.
Maxine war für einen Augenblick völlig konsterniert. So etwas Abgebrühtes hatte sie in ihrem eigenen Haus noch nie erlebt. Erst als die Gräfin die Tür fast erreicht hatte, setzte sie sich in Bewegung.
Die Fremde drehte ihr den Rücken zu. Maxine war rasch bei ihr.
Sie packte sie an der Schulter und wollte sie herumreißen. Ihre Hand war dabei ziemlich weit nach vorn gerutscht, sogar bis zur Oberseite hin, und dort erhielt sie einen ersten Kontakt mit der Haut.
Maxine stand still.
Etwas sirrte durch ihren Kopf. Es war verrückt, aber zugleich eine Tatsache. Diese Haut war nicht normal. Sie fühlte sich nicht so an. Unter ihren Fingern merkte sie den etwas härteren Widerstand, der auch eine gewisse Rauheit aufwies.
Nein, das war keine Menschenhaut und…
Die Gräfin fuhr herum. Sie schüttelte dabei die Hand ab. Für einen Moment bohrte sich ihr Blick wie Nadelspitzen in die Tierärztin. Es war ein Blick des Schreckens. Maxine hatte das Gefühl, plötzlich nicht mehr sie selbst zu sein. Als wäre ihr ein Stück entrissen worden.
»Dich bekomme ich auch!«
Max hörte noch dieses Versprechen, dann sah sie die Bewegung der Hand. Zuerst wusste sie nicht, was das bedeutete, bis sie den Schlag gegen den Kopf mitbekam.
Da sprühten die berühmten Sterne vor ihren Augen auf, bevor blitzartig die Dunkelheit kam und sie verschlang. Sie hatte Glück, dass sie noch einen Schritt vorging und die Wand erreichte. Dort sackte sie dann zusammen.
Die Voodoo-Gräfin war zufrieden und öffnete die Tür des großen Wohnzimmers…
***
Helen Pride hatte weiterhin wach auf der Couch gelegen und zitternd abgewartet, was noch alles passierte. Sie hatte auch mitbekommen, dass noch jemand gekommen war. Hin und wieder waren Wortfetzen an ihre Ohren gedrungen, und genau die bereiteten ihr eine schreckliche Angst, denn nicht nur Maxine Wells hatte sie sprechen gehört, sondern noch eine andere Person, und die kannte sie verdammt gut.
Alexandra di Baggio war gekommen. Eigentlich keine Überraschung. Sie hatte einfach damit rechnen müssen, da es zwischen ihr und der Gräfin ein Band gab, das sie so nicht gewollt hatte.
Nun stand alles auf des Messers Schneide. Auch ihr Schicksal, das sah sie ein. Noch wusste sie nicht, ob die Tierärztin es schaffen konnte, die Voodoo-Gräfin zu stoppen. Sie konnte es nur hoffen, wobei sie auch wusste, wie trügerisch diese Hoffnung war.
Sie hatte die Gräfin in ihrer Festung erlebt. Da war sie die absolute Herrin gewesen. Es galten einzig und allein nur ihre Worte und ihre Taten. Alles andere hatte sich ihr unterzuordnen, und es war auch niemand vorhanden, der ihr hätte Paroli bieten könnten. Sie herrschte eben absolut in diesem einsamen Schloss.
Helen verfluchte ihre Behinderung noch mehr. Wäre sie nicht gewesen, hätte sie aufstehen, sich verstecken oder auch die Flucht ergreifen können. Sich mit dem Mädchen zusammentun können, das sie schon mal gerettet hatte. So aber war sie allein auf sich gestellt und konnte nur humpeln oder auf einem Bein hüpfen.
Das Schicksal war ihr nicht eben gut gesonnen, und sie dachte daran, sich eine Waffe zu besorgen. An eine Pistole war nicht zu denken, die lagen hier nicht herum. Ihre Vorstellungen drehten sich auch mehr um eine Schlagwaffe, die sie einsetzen konnte.
Sie setzte sich hin. Das rechte Bein hielt sie dabei ausgestreckt.
Nur nichts bewegen, das sie zum Schreien hätte bringen können.
Sie musste versuchen, cool zu bleiben, was natürlich leichter gedacht als getan war.
Die »Waffe« stand auf einem kleinen gläsernen Beistelltisch, der aus zwei unterschiedlich hoch angebrachten Glasplatten bestand, die gegeneinander verschoben werden konnten, sodass der Tisch an zwei unterschiedlichen Seiten verschiedene Abstellflächen bot.
Es war eine Figur. Vielleicht ein Engel, es konnte aber auch eine Madonna sein. Nicht eben so kitschig, wie man sie in den Kaufhäusern bekam, sondern sehr modern und aus grün marmoriertem Stein mit hellen
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