1304 - Die Voodoo-Gräfin
sie spürte auf ihrem Rücken wieder das seltsame Ziehen.
Hinter ihr lag der Vorgarten. Ein recht großes Grundstück, teilweise bewachsen.
Maxine drehte sich zuerst sehr langsam. Stieß auch die angehaltene Luft aus.
Dann bewegte sie sich schneller – und sah die fremde Frau. Sie stand direkt vor ihr. Obwohl Maxine sie noch nie zuvor gesehen hatte, wusste sie sofort, wer sie da besuchte.
Es war die Voodoo-Gräfin!
***
Wieder erlebte sie einen Schock und hatte für einen Moment das Gefühl, nicht richtig in der Welt zu stehen. Die Frau war einfach zu plötzlich und ohne Vorwarnung erschienen. Jetzt stand sie da und schaute Maxine nur an.
Die Tierärztin erwiderte den Blick. Sie hatte sich in dieser kurzen Zeit innerlich auf die Besucherin einstellen können, die kein Wort zur Begrüßung sagte und abwartete, wie Maxine wohl reagierte.
Was war sie für eine Frau?
Vom Äußeren her sehr attraktiv. Man konnte sie sogar als Schönheit bezeichnen, als ein sehr glattes Wesen, das Menschen anzog, zugleich aber abstieß.
Das Gesicht der Gräfin wurde von sehr dunklen Haaren umrahmt, die leicht schimmerten. Es zeigte eine weiche Ebenmäßigkeit. Vielleicht war der Mund ein wenig zu voll, denn da wirkten die Lippen leicht aufgespritzt. Bekleidet war sie mit einer langen dunklen Jacke, die auch ein Mantel sein konnte. Das dunkle Stück stand offen, sodass darunter ein helles T-Shirt mit einem Halbkreis als Ausschnitt zu sehen war.
Das Outfit nahm Maxine nur wie nebenbei wahr. Es interessierte sie nicht besonders, denn da gab es noch die Augen und auch die Haut.
Beides war ungewöhnlich.
Beim ersten Hinsehen wirkten die Augen so dunkel wie die Haare. Schaute man allerdings länger, dann musste dem Betrachter einfach etwas auffallen, denn in diesen dunklen Augen waren helle rote Kreise zu sehen, die in einem leicht gelblichen Hintergrund schwammen. Derartige Augen hatte Maxine Wells bei einem Menschen noch nie gesehen und auch nicht bei einem Tier.
Sie brachte es nur unter einer gewissen Anstrengung fertig, den Blick vom Gesicht der Person zu lösen und ihn tiefer gleiten zu lassen, denn jetzt interessierte sie die Haut.
Eine menschliche?
Das konnte sein. Je intensiver sie hinschaute, umso stärker wurde ihr Verdacht, dass dies nicht ganz so zutraf. Die Haut hatte etwas Besonderes an sich. Es lag an der Farbe ebenso wie an der Glätte.
Wenn sich Maxine nicht sehr irrte, dann ging von der Haut ein etwas grünlicher Schimmer aus und der verteilte sich überall. Er sorgte dafür, dass diese Haut heller wurde, und als Maxine noch etwas deutlicher hinsah, erkannte sie etwas, das sie bei einem Menschen noch nie zuvor gesehen hatte.
Es waren kleine Risse!
Sie verteilten sich überall. Längs und quer und nach bestimmten Mustern. Die Haut sah aus wie Baumrinde. Die einzelnen Risse bildeten Vierecke unterschiedlicher Größe, als hätte sie jemand mit einem dünnen Pinsel aufgemalt.
Es war ein Rätsel für Maxine, wie ein Mensch nur eine derartige Haut haben konnte. Aber sie dachte auch daran, was man ihr erzählt hatte. Dass diese Gräfin sehr oft ein Bad nahm und das in einem Zimmer, das niemand betreten durfte.
Noch etwas passierte mit Maxine Wells. Sie merkte plötzlich, dass ein Teil ihrer Energie oder Widerstandskraft ihren Körper verließ. Sie fühlte sich matt und erschlafft und würde dieser Person keinen großen Widerstand entgegensetzen können.
»Genau geschaut?«
Maxine hörte die Stimme und lauschte ihr nach. Sie empfand sie mehr als ein Raunen, aber der Klang war nicht uninteressant. Er brachte auch in ihrem Innern eine Saite zum Klingen, worüber sie jedoch nicht näher nachdachte.
»Wer sind Sie?«
»Oh, wissen Sie das nicht? Ich kann mir denken, dass man Ihnen bereits etwas über mich erzählt hat.«
»Sie sind die Gräfin, nicht?«
»Das haben Sie gut erfasst.«
»Und was wollen Sie?«
Alexandra hob die Schultern. »Das ist nicht so leicht mit einem Satz zu erklären. Ich denke, dass wir ins Haus gehen sollten. Dort können wir uns in aller Ruhe unterhalten.«
»Nein, auf keinen Fall. Das sehe ich gar nicht ein. Tut mir Leid, ich werde nicht ins Haus gehen und…«
»Es wäre aber besser.«
Die Voodoo-Gräfin hatte ihre Stimme kaum angehoben.
Allerdings war der leicht spöttische Klang nicht zu überhören gewesen, und wieder merkte Maxine, dass ihr Widerstand allmählich dahinschmolz. Sie ärgerte sich darüber, dass sie immer stärker in den Bann dieser fremden Person geriet, und sie
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