1304 - Die Voodoo-Gräfin
Einschlüssen.
Das war es doch!
Sie streckte sich.
Leider reichte der Arm nicht weit genug. Auch dann nicht, wenn sie sich stark über die Couchkante beugte, um dann zuzugreifen. Es half alles nichts. Sie musste aufstehen und zu diesem Glastisch hinhumpeln.
Das Aufstehen war nicht einfach. Ein paar Mal bewegte sie den rechten Fuß zu hektisch und musste wieder mit dem stechenden Schmerz zurechtkommen.
Trotzdem schaffte Helen es. Sie biss die Zähne zusammen und humpelte auf den Tisch zu. Sie kam so nahe an den Glastisch heran, dass sie nach der Figur greifen konnte. Sie umfasste das Stück mit einer Inbrunst wie den berühmten lebensrettenden Strohhalm, und als sie einatmete, hörte es sich an wie ein scharfes Lachen.
Der Rückweg ging schneller. Bevor sie das Bett erreichte, warf sie sich darauf und hielt das rechte Bein dabei weiterhin gestreckt.
Danach rollte sich Helen vorsichtig auf den Rücken und nahm wieder ihre alte Position ein. Die kleine, aber dennoch recht schwere Statue versteckte sie unter der Decke.
Helen war nicht zufrieden, aber es ging ihr jetzt etwas besser, denn sie war nicht mehr ganz so wehrlos. Während ihres Aufenthalts in der Festung hatte sie sich vorgestellt, wie es sein würde, wenn die Gräfin nicht mehr war. Vor den eigenen Gedanken war sie schon zusammengeschreckt, denn an einen Mord hatte sie nie gedacht. Da hätte sie sich ungefähr auf die gleiche Stufe mit ihrem gewalttätigen Ehemann gestellt. Nun hatten sich die Dinge geändert. Jetzt ging es um sie, denn sie wollte nicht mehr zurück in das einsame Schloss.
Die beiden Frauen hielten sich noch immer vor der Tür auf. Es waren nur die zwei Stimmen zu hören, keine dritte, denn Maxines Tochter hielt sich zurück.
Ein dumpfer Laut drang gedämpft an ihre Ohren. Etwas musste zu Boden gefallen sein. Für einen Moment zog sich ihre Haut zusammen, dann schaute sie wieder zur Tür.
Sie wurde geöffnet. Helen lag so, dass sie die Tür gut im Blick hatte. Sie war nicht mal überrascht, als sie sah, wer dort über die Schwelle trat.
Das lange schwarze Haar, die seltsame Haut, der geschmeidige und schleichende Gang – die Voodoo-Gräfin hatte sich nicht verändert.
Sehr behutsam schloss sie die Tür. Wie jemand, der andere Menschen nicht stören will. Alexandra sprach kein einziges Wort, als sie auf die Couch zuging. Ihr Mund blieb geschlossen. Sie »redete« nur mit den Augen. Dies stellte Helen fest, als die Gräfin neben ihrer Couch stehen blieb und auf sie herabschaute.
Dieser Blick reichte ihr.
Er gab ein verdammtes und grausames Versprechen ab.
Den Tod!
***
Ins Zimmer gehen und dort so lange warten, bis man endlich geholt wurde. So sah das Schicksal des Vogelmädchens aus, und genau das hasste Carlotta. Sie wollte es nicht, denn sie spürte deutlich, dass man sie brauchte. Nur wollte sie sich nicht gegen Maxines Anordnungen stellen. So blieb sie in ihrem Zimmer, in dem sie sich vorkam wie ein Fremdkörper. Sie konnte weder auf einem Stuhl noch dem Bett sitzen bleiben. Sie musste einfach auf und ab gehen, um ihrer Unruhe Herr zu werden.
Irgendwann kam ihr der Gedanke, aus dem Fenster zu schauen.
Das Zimmer ging zur Rückseite hin. Dort befand sich der Garten.
Umrahmt wurde er an einer Seite von dem Anbau der Praxis, zu der auch Ställe gehörten, in denen kranke Tiere behandelt wurden.
Die Gehege waren kaum zu erkennen. Hinzu kam die tiefe Stille.
Als wäre die Natur in eine Bewusstlosigkeit gefallen. Es gab für die zwölfjährige Carlotta nichts zu beobachten.
Oder bewegte sich doch etwas?
Das Kind zuckte leicht zusammen. Es überlegte, ob es einer Täuschung erlegen war oder nicht. Noch war nichts Genaues zu erkennen, weil eben in der Umgebung alles so dicht und dunkel war, aber als sie den Kopf leicht nach links drehte, da bekam sie ein anderes Bild geboten.
Es war jemand da!
Plötzlich atmete sie heftiger. Die nahe Scheibe beschlug leicht, und Carlotta wischte den Fleck schnell wieder weg. Für einen Moment wurden ihre Augen starr und weiteten sich, während sie sich auf eine bestimmte Stelle konzentrierte.
Ja, jetzt wieder!
Dort war jemand. Eine Gestalt. Nicht unbedingt groß. Sie konnte sie nicht als Mensch identifizieren, dazu war das Wesen einfach zu klein. Aber es bewegte sich. Es lief sogar über den Rasen und dabei genau auf das Fenster zu, hinter dem Carlotta stand.
Nur wenige Sekunden später erlebte Carlotta eine böse Überraschung. Da liefen keine Menschen durch den Garten. Sie hatten sich
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