1305 - Im Schloss der Zombie-Frauen
ausgespuckt.
So weit kam es nicht. Stattdessen musste sie weiterhin die Zunge anschauen, die nicht wieder zurück in den Mund gezogen wurde.
Sie tanzte vor den Lippen wie die Zunge einer Echse, die darauf wartet, eine Beute zu fangen.
Das Herz klopfte schwer in ihrer Brust. Maxine merkte den eigenen Schwindel und glaubte, zur Seite zu fallen. Tatsächlich jedoch blieb sie auf den Beinen und stellte sich darauf ein, dass sie hier keine Halluzination erlebte.
Die Frau und die Zunge waren echt. Mit einer schnellen Bewegung wurde sie zurückgezogen und rollte sich auf dem Weg in den Mund ein. Alexandra sah wieder normal aus.
Maxine konnte den Anblick nicht vergessen. Noch immer stand sie unter Schock. Sie schnappte nach Luft, und das verdammte Würgen sollte endlich aufhören. Maxine wurde den Gedanken an diesen verfluchten Kuss einfach nicht los. Sie glaubte, infiziert worden zu sein. Ihr Mund fühlte sich im Innern rau an, als hätte dieser verfluchte Kuss etwas bei ihr hinterlassen.
»Ich weiß, was du jetzt denkst«, flüsterte die Voodoo-Gräfin, »aber es war erst der Anfang. Ich habe alle meine Freundinnen auf diese Art und Weise geküsst. Sie sollten merken, dass sie von nun an zu mir gehören. Ebenso wie du.«
Maxine schüttelte den Kopf. Sie tat es langsam und wunderte sich darüber, dass sie es nach diesem grauenvollen Vorgang überhaupt konnte.
Sie stellte eine Frage, wobei ihr die eigene Stimme fremd vorkam.
»Wer bist du?«
»Ich bin Alexandra di Baggio«, erwiderte die Frau nicht ohne Stolz. »Ich bin die Voodoo-Gräfin.«
»Bist du ein Mensch?«
»Was meinst du?«
»Gib mir die Antwort!«
»Sehe ich nicht aus wie ein Mensch?«
Maxine nickte.
»Aber du hast Zweifel – oder?«
»Kein Mensch besitzt eine derartige Zunge. Das ist unmöglich. Das kann nicht wahr sein. Es ist grauenhaft. Ich darf nicht darüber nachdenken, aber ich tue es doch und…«
»Du solltest dich nicht aufregen und akzeptieren, dass es auf dieser Welt nicht nur Menschen und Tiere gibt. Es existiert noch immer etwas dazwischen.«
Mit dieser Erklärung konnte Maxine sogar etwas anfangen, denn mittlerweile hatte sie ihre eigenen Erfahrungen sammeln können.
Die Vergangenheit hatte sie gelehrt, dass es Dinge und Vorgänge gab, die nicht in das normale Raster des menschlichen Denkens hineinpassten. So war es auch hier. Sie akzeptierte, dass die Gestalt der Voodoo-Gräfin besser in ein Zwischenreich passte als in die normale Welt.
Auf diese Gedanken hin folgte augenblicklich die nächste Frage.
Wie war es möglich, dass eine normal aussehende Frau mit der Zunge eines Reptils herumlief?
Das bekam sie nicht in den Griff. An einer derartigen Zunge konnte man leicht ersticken, auch wenn sie innerhalb des Mundes zusammengerollt wurde.
Es kam ihr alles so absurd vor. Da hatte sich sicherlich kein Mensch mit einem Reptil gepaart. Sie glaubte auch nicht an Genmanipulation, wie es bei dem Vogelmädchen Carlotta der Fall gewesen war. Nein, dieses Aussehen musste ganz andere Gründe haben.
Die Voodoo-Gräfin merkte sehr deutlich, wie schwer sich Maxine mit den neuen Tatsachen tat, und lachte vor ihrer Frage leise auf.
»Du findest keine Erklärung, wie?«
»Nur schwer…«
»Ich bin eben anders.«
»Das sehe ich. Aber wie anders bist du?«
Die Gräfin warf den Kopf zurück. »Gibt es nicht auch bei Menschen manchmal zwei Gesichter. Sagt man das nicht so?«
»Schon. Nur meint man es anders.«
Alexandra winkte mit dem Finger. »Komm her zu mir. Komm sehr nahe. Keine Sorge, ich werde dich nicht mehr küssen. Das ist vorbei. Aber ich werde etwas anderes mit dir tun. Ich gebe dir einen Beweis, wie vielschichtig Kreaturen sein können.«
Die Tierärztin dachte wieder sehr klar. Sie erinnerte sich daran, dass Alexandra das Wort Kreatur besonders betont hatte. Sie legte also darauf großen Wert, und Maxine musste ihr Recht geben. Ja, vor ihr stand eine Kreatur.
Sie bewegte sich durch das dunkle Wasser auf die Gräfin zu. Es machte ihr nichts mehr aus. Eine schon wilde Neugierde hielt sie umfangen, und sie wollte auch die Lösung bis hin in jedes Detail wissen. Auch wunderte sich Maxine darüber, dass ihre große Angst verschwunden war. Der nahen Zukunft sah sie sogar mit einem irgendwie wissenschaftlichen Interesse entgegen.
Die Wellen schaukelten um die Frauen herum. Das Wasser trug auf. Zumindest Maxine hatte Mühe, mit den Füßen auf dem glatten Boden zu bleiben.
»Fass mich an!«
»Wie?«
»Los, du sollst mich
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