1306 - Hexenbalg
demnach von ihm ist. Oder muss ich das anders sehen?«
»Ich glaube nicht.«
»Wunderbar, Jane, dann brauchen wir das Kind nur noch zu suchen, und alles ist okay.«
»Ja, so kann man es sehen.« Sie nagte an der Unterlippe. Das Wasserglas war leer getrunken, und ich überließ sie ihren Gedanken. »Es wird nicht einfach zu finden sein.«
»Das denke ich auch. Weißt du denn, wo es sich befindet?«
Jane kratzte mit dem Nagel des linken Zeigefingers über ihre Stirn. »Nicht hier in England. Es ist woanders passiert. Auf dem Festland in einer einsamen Gegend.«
»Wo genau?«
Jane zuckte mit den Schultern. »So Leid es mir tut, John, aber das weiß ich nicht. Ich habe es gehört. Im Moment ist es verschüttet, aber es wird zurückkehren.«
»Wenn du das so siehst, ist das okay. Aber ich habe da noch eine andere Frage.«
»Bitte.«
»Glaubst du eigentlich, dass das Kind noch lebt, weil es doch vor so langer Zeit schon getötet wurde?«
Jane Collins gab mir keine Antwort. Sie fixierte mich. Um die Lippen zuckte es. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich denke, da irrst du dich, John. Da irrst du dich sogar gewaltig.«
»Wieso?«
»Man hat der Frau das Kind zwar kurz vor der Geburt aus dem Mutterleib entrissen, aber ich glaube nicht daran, dass es getötet wurde. So etwas hat man unter Umständen vorgehabt, aber es konnte nicht in die Tat umgesetzt werden.«
»Bist du dir dessen sicher?«
»Man hat es nicht getötet!«, behauptete sie. »Und wenn du dich auf den Kopf stellst.«
»Woher weißt du das?«
»Kannst du dir das nicht denken? Die Mutter, nein, deren Geist hat mir alles mitgeteilt. Das Kind wurde nicht getötet. Es wurde behalten und vielleicht weitergereicht, aber man brachte es nicht um. Ich weiß nicht, in welche Hände es gelangt ist. Es existiert weiter. Möglicherweise in einem tiefen Schlaf liegend.«
»Du denkst mehr an einen magischen Schlaf.«
Jane Collins gab mir Recht und stand auf. Dann ging sie zum Fenster. Sie öffnete es, ließ frische Luft in das Zimmer und schaute dabei nach draußen.
Ich überließ sie für eine Weile ihren Gedanken, bis ich fragte:
»Bist du eigentlich davon ausgegangen, dass die Mutter des Kindes dir feindlich gesonnen war?«
»Nein, das bin ich nicht.« Sie schabte leicht mit den nackten Füßen über den Teppichboden und gab die Antwort, ohne sich umzudrehen. »Ich bin auch jetzt weiterhin der Meinung, dass die Mutter deshalb mit mir Kontakt aufgenommen hat, um Unheil zu vermeiden. Sie kennt ihren Balg. Sie weiß genau, was passieren kann, wenn jemand das Kind findet und auch darüber informiert ist, was mit ihm los ist und welche Kräfte es in sich birgt. Das muss ich dir leider so sagen, und ich habe auch die Befürchtung, dass schon etwas Schreckliches eingetreten ist.« Jane drehte sich um und nickte mir zu.
Ich saß im Sessel. Die Lippen hatte ich aufeinander gedrückt.
»Das alles bringt uns leider nicht weiter, so langen wir nicht wissen, wo wir suchen müssen.«
»Es ist ein Problem.«
»Ich habe die Mutter sogar gesehen.«
Mit dieser Antwort hatte Jane nicht gerechnet. Die Überraschung malte sich auf ihrem Gesicht ab.
Ich deutete auf den Fernseher. »Dort.«
»Was?«
»Ja. Ich will es dir erklären.«
Jane hörte zu, was ich ihr zu sagen hatte, und schüttelte einige Male den Kopf.
»Das hätte ich nicht für möglich gehalten«, sagte sie leise, »aber es beweist, dass ich mir nichts eingebildet habe. Es gab den Kontakt. Die Mutter hat es sehr dringend gemacht. Das heißt, dass wir uns beeilen müssen.«
»Dann brauchst du mir nur sagen, wohin wir fahren müssen. Ich packe sofort meinen Koffer.«
»Es ist ein Problem«, erklärte Jane Collins. »Ich habe den Namen gehört. Sogar mehrmals. Er hat etwas mit Tieren zu tun und klang auch deutsch, obwohl wir in unserer Sprache den gleichen Ausdruck dafür haben.«
»Das ist schwer.«
»Weiß ich.« Jane ließ sich wieder auf der Couch nieder. Sie legte die Hände gegen ihre Wangen. Es war ihr anzusehen, wie sehr sie sich gedanklich anstrengte.
Ich ließ sie in Ruhe. Dabei überlegte ich zwar selbst, aber ich schaffte es nicht, die Dinge in die Reihe zu bringen.
Bis Jane die Hände sinken ließ. Ich sah ihrem Gesicht an, dass sie etwas wusste. Die Augen strahlten. Sie lachte auch kurz auf und meinte: »Der Ort liegt in Deutschland. Er heißt Fischen…«
»Hm.«
Jane war etwas enttäuscht. »Sagt dir das nichts?«
»Im Moment nicht, aber es kann ja noch kommen.« Ich wollte mich
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