1308 - Tödliche Schwingen
damals dem Labor des Professors entkommen ist.«
Ich nickte.
»Wirklich?«, flüsterte sie.
»Ja. Professor Elax ist tot. Sein Killer Barbur auch. Das Labor zerstört, aber wer gibt uns die Gewissheit, dass es nicht noch jemanden gegeben hat, bei dem die Experimente des Professors gefruchtet haben? Niemand. Wir haben zwar getan, was wir konnten, aber ein gewisses Restrisiko kann man nicht ausschließen.«
»Hat er dann so lange gewartet?«
»Möglich ist es.«
Carlotta schloss die Augen. Sie hatte Probleme, mit dieser neuen Entwicklung zurechtzukommen. Aber sie schüttelte nicht den Kopf, und so ging ich davon aus, dass sie sich schon auf meiner Linie bewegte, was sie dann auch zugab.
»In diesem Fall müssen wir wohl mit allem rechnen.«
»Leider.«
»Und was können wir tun?«
Auf diese Frage hatte ich gewartet. Es tat mir Leid, dass ich ihr keine konkrete Antwort geben konnte. »Das weiß ich nicht, Carlotta. Wir müssen, auch wenn es sich schlimm anhört, abwarten. Ich gehe davon aus, dass er sich nochmal hier blicken lässt.«
Das Vogelmädchen schaute mich bei seiner Antwort nicht an, sondern sah zum Fenster hin. »Wer kann er sein, John? Wenn er aus Elax’ Labor stammt, dann ist er möglicherweise weiter als ich. Verstehst du das? Dann ist er Mensch und Tier zugleich.«
»Du denkst an einen Vogel?«
»Klar, an wen sonst? Dann kann er sich verwandeln. Oder er existiert zwei Mal. Zum einen als Vogel, zum anderen als schrecklicher Mensch. Oder sehe ich das falsch?«
»Nein«, erklärte ich nach kurzem Überlegen. »Das kann man so sehen.«
»Glaubst du, dass er hier noch mal erscheint?«, fragte sie.
»Das hoffe ich.«
»Und was ist mit Maxine?«
Da hatte sie mich auf ein Thema angesprochen, zu dem ich keinen Kommentar abgeben konnte. Ich sah auch keinen Grund für eine Entführung, wenn alles so stimmte, wie wir es angenommen hatten. Allerdings konnte Maxine Wells auch als Druckmittel entführt worden sein. Das war alles möglich, doch eine Gewissheit hatten wir nicht.
»Ich habe Angst um sie!«, flüsterte Carlotta.
Die hatte ich auch, nur sagte ich es nicht. Maxine war außerdem eine Frau, die sich wehren konnte. Hätte der andere sie töten wollen, dann hätte er es tun können, ohne das Risiko der Entführung auf sich nehmen zu müssen.
Es gab einen Plan.
Ich ging davon aus, dass er noch nicht bis zum Ende durchgeführt worden war. Es konnte sein, dass es einzig und allein um Carlotta ging und Maxine nur Mittel zum Zweck war.
Ein leises Bellen riss mich aus meinen Gedanken. Ich drehte den Kopf und sah, dass Eden sich aufgerichtet hatte. Er nahm eine gespannte Haltung an und bewegte sich dabei durch die Küche. An der Tür blieb er stehen, schnupperte, bellte wieder und drehte uns den Kopf zu. Er hielt seine Schnauze offen, schüttelte sich, lief über die Schwelle und entschwand an der rechten Seite aus unserem Blickfeld.
»Eden will uns was zeigen, John.«
»Dann schauen wir nach.«
Carlotta stand auf und hatte die Küche als Erste verlassen. Sie ging hinter Eden her, der bereits an der Haustür stand und daran kratzte. Er bellte auch wieder leise.
Das Vogelmädchen drehte mir seinen Kopf zu. »Eden hat was gewittert, John. Hinter der Tür ist was.«
»Ich weiß.«
»Soll ich…?«
»Nein, du nicht.«
Sie trat brav zur Seite, um mir Platz zu machen. Eden wurde wieder unruhig. Auch ich merkte, dass ich von einer gewissen Nervosität befallen war. Carlotta spähte durch das Fenster neben der Tür. Viel erkennen konnte sie nicht, denn draußen reichte das Außenlicht nicht weit genug. Aber sie war sicher, dass sich neben der Tür niemand aufhielt.
Meine Hand befand sich nicht weit von der Beretta entfernt, als ich mit der freien Hand die Klinke umfasste und die Tür dann auf riss.
Zugleich zog ich die Waffe hervor und zielte ins Nichts. Es war niemand da, der sich dicht davor aufhielt. Eden huschte an mir vorbei und lief schnüffelnd im Lichtkreis der Lampe über den Boden hinweg. Er gab einige Knurrlaute von sich, aber das war auch alles.
Ich schaute ebenfalls ins Leere. Es gab keine Veränderung. Selbst als ich in die Luft blickte, sah ich nur den dunklen Himmel. Aber ich spürte die Kälte, die mich streifte.
»Da ist was!«
Carlottas Stimme schreckte mich auf. Sie bückte sich neben mir und hob einen Gegenstand auf, den ich nicht erkannte. Das Vogelmädchen zog sich auch sofort wieder zurück und schaltete das Licht im noch dunklen Flur an.
Ich drehte mich und sah,
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