1308 - Tödliche Schwingen
Carlotta, die in die Knie gegangen war und mit beiden Händen den Kopf des Tieres streichelte.
Eden war selig. Er knurrte vor sich hin. Er legte seine Vorderpfoten auf die Schultern des Mädchens und drückte seinen Kopf gegen ihr Kinn. Beide genossen diese Situation. Es waren zwei Einsame, die sich gegenseitig Hilfe gaben.
Immer wieder glitten die Hände des Mädchens durch das Fell des Tieres. »Wenn du wüsstest«, flüsterte Carlotta, »wenn du wüsstest, wenn du reden könntest, es wäre alles viel besser. Aber vielleicht haben wir Glück, und es regelt sich…«
Eden gab die Antwort auf seine Weise. Er leckte über das Gesicht des Mädchens hinweg und schien zu spüren, dass Carlotta Trost brauchte.
»Ja, ja, wir beide werden es schon schaffen, das weiß ich. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir halten zusammen, wir müssen es tun, denn es gibt nur uns beide. Aber bald nicht mehr, dann kommt John Sinclair, weißt du? Er ist toll, und dann sind wir schon zu dritt. Da haben wir viel mehr Chancen. Da können wir uns freuen, denn das wird richtig super. Das wird…«, Carlotta merkte, wie ihr die Stimme versagte. Alles, was sie gesagt hatte, entsprach irgendwelchen Wünschen, und es war fraglich, ob diese überhaupt jemals in Erfüllung gingen, denn das Leben lief nicht immer so ab, wie man es sich vorstellte.
Eden scharrte mit seinen Vorderpfoten über den Boden hinweg und entzog sich auch dem Griff des Mädchens. Er lief zur Tür und gab so das Zeichen, dass er raus wollte.
Carlotta schaute zu. Auf der Türschwelle blieb er stehen, wuffte sie an und gab ihr ein weiteres Zeichen, dass er nach draußen wollte.
»Ist schon klar, Eden. Wir beide werden einen kleinen Gang machen. Das muss sein.«
Eden bellte, als hätte er alles verstanden. Lächelnd blieb Carlotta stehen und griff mit beiden Händen nach hinten. Der Pullover war recht weit geschnitten. Auf den ersten Blick waren die beiden Schlitze nicht zu sehen, die in den Stoff eingearbeitet worden waren, weil sie übereinanderlappten. Carlottas Finger zupften an bestimmten Stellen und bekam so Lücken. Sie konnte den Stoff noch weiter zur Seite ziehen und bewegte ihre Flügel, die sich durch die Lücken drückten. Jetzt war sie praktisch startbereit.
Der Hund schien das bemerkt zu haben, denn er lief durch die Praxis und blieb erst vor der geschlossenen Tür stehen. Er kratzte daran, um zu zeigen, wo er hinwollte, und das Mädchen folgte ihm mit schnellen Schritten. Es öffnete die Tür, aber Eden lief noch nicht vor. Er blieb an ihrer Seite und schabte manchmal mit seiner Flanke an ihrem rechten Bein entlang, als wollte er damit andeuten, dass er bei ihr bleiben und nicht verschwinden würde.
Carlotta konnte es sich aussuchen, ob sie mit dem Hund durch den Garten lief oder an der Vorderseite einen kurzen Weg durch die Siedlung ging. Sie entschied sich für den Garten. Vorn wäre sie in Gefahr gelaufen, einem Nachbarn zu begegnen. Das wollte sie nicht, denn irgendwelche Gespräche konnte sie nicht gebrauchen.
Durch eine Seitentür verließ sie das Haus. Zuvor schaltete sie drei Leuchten an. Eine hing über der Tür, die beiden anderen befanden sich im Garten. Kniehohe Laternen, die kaum auffielen, jetzt aber ihr weiches gelbliches Licht abgaben.
Im Haus war es warm gewesen. Dass es auch anders sein konnte, bekam sie zu spüren, denn der Wind fuhr kalt gegen ihr Gesicht und drang auch durch die Maschen des Pullovers.
Genau auf diese Freiheit hatte Eden gewartet. Ihn hielt nichts mehr an der Tür. Er rannte auf die Wiese und tollte dort herum.
Von seiner Operation war nichts mehr zu bemerken. Das Tier war wieder völlig in Ordnung und freute sich darüber, an die frische Luft zu gelangen. Auch Carlotta lächelte, nur fiel dieses Lächeln etwas verzerrt aus, denn sie dachte mehr an das, was vor ihr lag, als sich von den Spielereien des Hundes ablenken zu lassen.
Die Dunkelheit der Nacht war nicht richtig da. Lange Schatten glitten zwar über den Rasen, doch die letzte Helligkeit am Himmel, der fast wolkenlos war, wollte einfach noch nicht weichen, und so herrschte ein geheimnisvolles Zwielicht oberhalb des Gartens.
Die Luft war so klar und so kalt. Sie tat gut, wenn sie eingeatmet wurde. Immer wieder musste Carlotta lächeln, wenn sie den Hund sah, der sich so toll freute. Er rannte über die Wiese, er schnappte nach allem, was er sah. Er wollte der Zuschauerin beweisen, dass er wieder gesund war und die OP vergessen hatte.
Irgendwie
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