1312 - Letzte Ausfahrt Hölle
glaubte sie, trotzdem wollte sie es nicht glauben. Etwas in ihr weigerte sich.
Sie schaute Rico ins Gesicht und wartete darauf, dass er das eben Gesagte dementierte. Er tat es nicht. Er blieb gelassen, sagte nichts und ließ sie in ihren Zweifeln allein.
Sieht so ein Mörder aus?
Die Frage schoss in ihr hoch. Sie quälte sich mit der Antwort herum. Wieder lernte sie die Zweifel in ihrem Innern kennen. Sie konnte weder zustimmen noch ablehnen. So sah kein Mörder aus.
Derartig getäuscht konnte sie sich einfach nicht haben. Auf der anderen Seite wusste sie, trotz ihrer jungen Jahre, wie vielschichtig das Leben sein kann. Dem Mörder sah man seine Taten nicht am Gesicht an. Sonst würden nicht so viele von ihnen frei herumlaufen.
Sina riss sich zusammen. Sie wollte einen Schritt machen und holte tief Luft. »Bitte, Rico, sag nichts mehr davon. Halte dich zurück. Ich… ich … will es nicht hören.«
Er schwieg. Nur nicht lange. Zuerst schüttelte er den Kopf. Dann flüsterte er: »Du kannst den Kopf nicht in den Sand stecken, Sina. Nicht mehr. Es hat sich etwas verändert. Du musst mit den Veränderungen leben, verstehst du?«
Sie ahnte, dass etwas auf sie zukam, und schüttelte den Kopf.
»Nein, das will ich nicht verstehen.«
»Es gibt keinen Weg daran vorbei!«
Wie er das gesagt hatte, machte sie noch unsicherer. Sie bewegte ihre Augen, ohne es richtig zu wollen. Kälte drang durch ihre Brust, und sie hatte das Gefühl, in sich zusammenzusinken. In ihrem Kopf rauschte es. Das Herz schlug schneller. Den Blick konnte sie nicht von ihrem Freund abwenden.
Ja, es stimmte. Er war ihr fremd geworden. Er hatte sich verwandelt. Sie konnte ihm nicht mehr das Vertrauen entgegenbringen wie noch vor einigen Tagen. Mit ihm war etwas geschehen.
Er wirkte so düster und sogar unheimlich. Bevor er sprach, streckte er ihr seinen linken Arm entgegen.
»Wir werden jetzt gemeinsam wegfahren. Unser Ziel wird die Piste sein, verstehst du? Das Rennen wird stattfinden, und du wirst diesmal mit dabei sein. Es gibt keine Ausreden mehr. Alles wird so laufen, wie ich es mir ausgedacht habe. Ich nehme dich mit. Du hast dich zu mir bekannt, und ich will, dass es dabei bleibt.«
Die Sätze hatten sich im Prinzip harmlos angehört. Trotzdem bekam Sina es mit der Angst zu tun. So wie jetzt hatte sich ihr Freund nie zuvor benommen. Er stand mit seinem ausgestreckten Arm dort wie ein Richter, der das Urteil längst gesprochen hatte.
Der Blick hatte sich verändert. Sie entdeckte in ihm keinen Funken von Gefühl. Er war so kalt geworden und verbreitete die Kälte auch in seiner Nähe.
Der Arm mit der ausgestreckten Hand kam ihr wie ein Fallbeil vor, das noch auf einen bestimmten Moment wartete, um nach unten zu fallen.
Er brauchte Sina nichts zu sagen und nichts zu erklären. Sie erlebte ein Phänomen, das der Wahrheit entsprach, sie aber trotzdem an einen bösen Traum erinnerte.
Es fing bei der ausgestreckten Hand an. Da lagen die Finger dicht beieinander, aber es passierte mit ihnen etwas, denn von den Spitzen her veränderten sie sich.
Sie glühten.
Sina sah das Unglaubliche. Ihre Lippen zuckten. Sie musste schlucken und stöhnte zugleich. Über ihren Rücken rann ein kalter Schauer und zugleich wurde sie von einem heißen Strom erwischt.
Als hätten sich die unterschiedlichen Gefühle in ihr auf diese Art und Weise gezeigt.
Die Hand glühte weiter. Als wäre sie aus Eisen, das eine gewisse Zeitspanne im Feuer gelegen hatte. Begreifen konnte sie es nicht. Es war einfach zu ungeheuerlich, denn das Glühen beschränkte sich nicht nur auf die Hand, es wanderte auch weiter den Arm hoch, erreichte die Schulter und breitete sich auch dort aus.
Was in den folgenden Sekunden geschah, das erinnerte an einen Albtraum. Oder an eine Szene aus einem Film, aber nicht an die Wirklichkeit. Sie konnte es nicht begreifen, dass so etwas mit einem Menschen passierte. Er war schließlich kein Stück Metall, das jemand ins Feuer geworfen hatte. Er war ein Mensch, und das Glühen beschränkte sich nicht nur allein auf seine Haut. Es hatte sich auch im Innern seines Körpers ausgebreitet und sogar den Kopf erreicht.
Das war unfassbar. Ein Mensch, der vom Kopf bis hin zu den Füßen innerlich brannte und eine Hitze ausstrahlte oder ausstrahlen musste.
Nichts davon spürte sie.
Kein Gluthauch erwischte sie, was für Sina schon ein Phänomen war. Es kam noch etwas anderes hinzu. Rico stand da, und nichts in seiner Umgebung fing Feuer und
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