1312 - Letzte Ausfahrt Hölle
Schwelle gewartet. Erst jetzt trat er in das Zimmer hinein.
Seine Bewegungen waren ihr neu. Er ging anders als sonst. Nicht mehr so locker und zügig, sondern mehr schleichend und auch lauernd. So einer schien eine Gefahr zu erwarten.
»Du brauchst keine Angst zu haben, Rico. Es ist niemand hier. Wir sind wirklich allein. Meine Mutter kommt erst später. Sie hat heute die zweite Schicht übernommen.«
»Das weiß ich.«
»Dann ist es ja gut.«
Es war noch genügend hell, und Sina suchte mit ihren Blicken seine Gestalt ab. Sie versuchte herauszufinden, ob sich auch äußerlich etwas verändert hatte, denn sein Benehmen war nicht mehr so wie sonst.
Das gleiche schmale Gesicht. Die gleichen Haare glatt nach hinten gekämmt. Die dunklen Augen, die leicht gekrümmte Nase und der Mund mit den weichen Lippen. All das hatte sie geliebt.
Trotzdem war etwas anders an Rico. Sie konnte nicht genau sagen, was es nun war. Es mochte auch an seinem seltsamen Benehmen liegen. Er schaute sich im Zimmer um, als hätte er es gerade heute zum ersten Mal betreten.
Sina Long war jemand, der so nicht weiterleben konnte. Sie wollte eine Bestätigung bekommen. Sie musste einfach herausfinden, was ihren Freund bedrückte.
»Jetzt sag mir doch, was du hast, Rico. Du bist so anders. Du bist mir so fremd.«
»Ach, bin ich das?«
»Ja.«
»Und weiter?«
Sina musste sich räuspern. »Ich weiß nichts weiter. Du bist in den letzten Tagen verschwunden gewesen. Da muss doch etwas mit dir passiert sein, verflixt.«
»Ich bin gefahren, Sina, und ich werde wieder fahren!«
»Nein!« Das Wort war ihr als halblauter Schrei herausgerutscht.
»Das glaube ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Du hast es mir versprochen.«
»Das ist mir egal.«
Die Antwort machte Sina fertig. Ein Flammenstoß jagte durch ihren Körper. So kannte sie ihn nicht. Er war in der letzten Zeit so lieb zu ihr gewesen. Er hatte alles für sie getan. Er hatte ihr viel versprochen. Jetzt erlebte sie ihn als das genaue Gegenteil. Er war ihr so fremd geworden und auch kalt.
Ja, er strahlte eine Kälte aus, die sie von ihm nicht kannte und auch nicht akzeptieren wollte. Dass er wieder fahren würde, war für sie das Schlimmste.
»Hat dieser verdammte Ugly dich dazu überredet?«
»Nein, er wird nichts mehr sagen.«
Sina konnte mit dieser kryptischen Antwort nichts anfangen.
Überhaupt wusste sie nicht, wie sie sich bewegen und verhalten sollte. Das Gefühl, einen Fremden zu sehen, verstärkte sich noch von Sekunde zu Sekunde. Sie scheute sich zudem auch, ihren Freund anzusprechen. Aus Angst, etwas Falsches zu sagen.
Aber etwas musste sie tun. »Bitte, du bist so lange weg gewesen. Jetzt bist du hier. Denkst du, dass ich… also dass ich mich über deine Begrüßung gefreut habe?«
»Warum nicht?«
»Du bist so anders gewesen. Ich möchte dich in den Arm nehmen. Ich will dich drücken und…« Sie sprach nicht mehr weiter und ging einfach auf ihn zu.
Genau das war ihr Fehler.
»Bleib stehen!«
Er hatte den Befehl so hart ausgesprochen, dass Sina automatisch gehorchte. Sie stieß noch mit dem Knie gegen den Tisch, dann konnte sie nur noch überrascht schauen.
So hatte sie Rico Genari noch nie erlebt. Er kam ihr plötzlich so drohend vor und flüsterte. »Ich will nicht, dass du mich anfasst. Ich bestimme es.«
»Was willst du dann?«
»Dich mitnehmen.«
»Und wohin?«
»Auf die Reise!«
Sina sagte nichts. Sie überlegte. Sie hatte einen bestimmten Verdacht bekommen, der jedoch war so ungeheuerlich, dass sie ihn erst gar nicht aussprach. So stand sie da und schüttelte den Kopf, während sie zitterte.
»Du weißt es, nicht?«
»Ja, nein, ich…«
»Wir fahren die Strecke gemeinsam. Die anderen werden auch da sein. Ich habe sie zusammengerufen, und sie folgen mir als ihrem neuen Anführer, meine Kleine.«
»Wieso neuer Anführer? Ist das nicht Ugly?«
»Er war es.«
»Habt ihr ihn abgewählt? Bist du es jetzt, der…«
»Er ist tot!«, sagte Rico hart. »Ugly ist tot. Er ist vom Fuß bis zum Hals verbrannt.«
Vor zwei Tagen noch hätte Sina ihrem Freund kein Wort geglaubt. Jetzt sah sie die Dinge mit anderen Augen an, und wieder merkte sie, wie schnell und hart ihr Herz klopfte.
»Ist er verunglückt?«
»Nein, er verbrannte. Das habe ich dir doch schon gesagt.«
»Ja, ja, das sagtest du. Wer hat ihn… oder …«
»Ich, Sina, ich habe ihn verbrannt!«, erklärte Rico mit Stolz in der Stimme.
Sina Long hatte die Wahrheit erfahren. Es stimmte, das
Weitere Kostenlose Bücher