1312 - Letzte Ausfahrt Hölle
Frauen sind nun mal so…
***
Sina Long wusste, dass ihre Mutter länger arbeiten und erst später zurückkehren würde. Sie hatte einige Stunden Zeit und würde in der Wohnung bleiben.
Für sie furchtbar. Sie wäre lieber ausgegangen, um sich abzulenken. Es war nicht nur schlimm, dass Rico sie verlassen hatte, möglicherweise sogar für immer, aber es steckte mehr dahinter, sonst hätten die beiden Polizisten sie nicht besucht.
Was hatte Rico getan?
Sina stand im schmalen Flur, schaute in den Spiegel und dachte darüber nach. Ihr eigenes Bild interessierte sie weniger. Sie kam sich selbst sehr blass vor und hätte sich als fahle Gestalt bezeichnet.
Auch über ihre Figur ärgerte sie sich. Die Rundungen saßen nicht an den richtigen Stellen, und es sah auch nicht aus, als würden sie dort erscheinen.
Trotzdem hatte Rico sie gemocht. Und sie ihn auch. Rico war ihre erste große Liebe. Ginge es nach ihr, würde sie immer bei ihm bleiben, doch diese Chance sah sie immer mehr dahinschwinden. Er war einfach verschwunden und hatte sich auch nicht wieder gemeldet.
Wieso? Warum?
Diese Frage hatte sich Sina oft gestellt und grübelte auch jetzt darüber nach, als sie durch ihr dünnes Haar strich und ihre kleinen Zöpfe berührte.
Es lag nicht an ihm. Nicht an ihm allein. Es lag auch an der verdammten Clique. Sina hasste die Höllenfahrer. Sie spielten mit ihrem Leben. Für sie waren es Verbrecher, denn sie stahlen die Autos, die sie später zu Schrott fuhren.
Auch Rico!
Richtig glauben wollte sie es noch immer nicht. Er hatte es zwar zugegeben, aber Liebe kann blind machen, und das war bei Sina Long der Fall. Sie schob alles auf die anderen. Vor allen Dingen auf den verdammten Ugly. Er war der Chef. Er hatte seine Kumpane voll im Griff. Auch bei Rico war das nicht anders gewesen.
Sina hatte immer versucht, mit ihm zu reden und ihn von seinem Hobby fern zu halten. Herausgekommen war nichts. Er hatte einfach nicht auf sie hören wollen. Zu stark war der andere Drang gewesen, und daran hatte sie zu knacken.
Jetzt war er weg!
Auch Ricos Mutter hatte ihr nicht sagen können, wo sich ihr Sohn befand. Sie kam mit Mrs. Genari wirklich gut aus, auch sie war gegen die Höllenfahrer, aber Rico hatte sich eben nichts von ihr sagen lassen. Gemeinsam hatten sie es dann geschafft. Einmal noch hatte er fahren wollen. Das war er sich schuldig gewesen, so jedenfalls hatte er gesprochen. Und dann war es eben passiert.
Er war verschwunden. Abgetaucht. Vielleicht war ihm sogar etwas passiert, wer konnte das schon sagen? Verletzt oder noch schlimmer…
»Nein«, flüsterte sie ihrem Spiegelbild zu. »Nein, das glaube ich nicht. Er ist nicht tot. Er lebt. Ich werde ihn wiedersehen. Davon bin ich überzeugt.«
Sie wandte sich vom Spiegel ab. Die letzten Gedanken hatten sie aufgeregt. Das sonst so blasse Gesicht war ziemlich rot geworden.
Beinahe erschrak sie selbst über den starren Ausdruck ihrer Augen.
Sie wäre sogar zur Polizei gegangen, doch das hatte Ricos Mutter übernommen. Jetzt suchten sie ihn, und sie drückte den Polizisten beide Daumen, dass sie Rico fanden.
Sie ging wieder weg. Der Spiegel war nicht gut. Sie wollte einfach nichts sehen. Ihr Herz klopfte schneller. Ein kalter Hauch schien durch den Flur zu wehen, als wäre ein Geist in die Wohnung gekommen, um sie zu übernehmen.
Sie wollte nicht mehr im Flur bleiben. Sie schwitzte und eilte ins kleine Bad. Es besaß kein Fenster. Deshalb musste sie das Licht einschalten. Wieder sah sie sich im Spiegel, beugte sich nach vorn und drehte das Wasser an.
Es rauschte in das Waschbecken hinein. Sie ließ es gegen ihre Hände laufen und spritzte es sich ins Gesicht. Die Kühle tat ihr gut.
Sie fing an zu lächeln und genoss noch eine zweite und dritte Ladung.
Das war herrlich. Die Hitze verschwand. Sie glaubte sogar, es zischen zu hören.
Mit einem kleinen Handtuch trocknete sie sich ab. Diesmal tat sie es langsam. Sina fühlte sich auch nicht mehr so unter Druck gesetzt.
In der Mitte des kleinen Bads blieb sie stehen und sinnierte vor sich hin. Sie dachte wieder an ihren Freund Rico und…
Etwas störte sie.
Ein Geräusch?
So genau fand sie es nicht heraus, aber es war schon ein Laut, den sie bisher in der Wohnung nicht vernommen hatte. Er war auch nicht in ihrer Nähe aufgeklungen, sondern etwas entfernt und bestimmt nicht weit von der Wohnungstür weg.
Zuerst dachte sie an ihre Mutter, die zurückgekehrt war. Sehr bald verwarf sie den Gedanken wieder, denn
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