1312 - Letzte Ausfahrt Hölle
Genau das war hier auch der Fall. Wir hatten uns zwar nicht verschätzt, aber wir kannten die Formation des Geländes nicht und wurden jetzt drastisch daran erinnert, dass wir uns in direkter Nähe eines Steinbruchs bewegten.
Die glatte Fläche gab es plötzlich nicht mehr. Es gab auch keinen Hinweis darauf, dass sie plötzlich verschwinden würde. Wir erlebten nur, wie der Daimler plötzlich zu schlittern begann. Gleichzeitig beugte er sich nach vorn hin, und die große Kühlerschnauze bekam das Übergewicht.
Sie kippte einfach weg!
»Bremsen!«, schrie ich Suko zu. Ich hatte es automatisch getan. In diesem Fall wusste ich wirklich nicht, was ich machen sollte. Keiner von uns kannte das Gelände. Sollte es wie bei einer Steilküste senkrecht nach unten gehen, dann hatten wir so gut wie keine Chance, den Fall zu überleben.
Was in den folgenden Sekunden passierte, das erlebte ich mehr bruchstückhaft und trotzdem wie in einem zeitverzögerten Tempo.
Möglicherweise weil ich selbst nicht daran beteiligt war und auch nicht eingreifen konnte. Mich aus dem Wagen zu werfen, daran dachte ich nicht.
Suko bremste!
Ich merkte den Ruck. Wie auch der Fahrer wurde ich in den Gurt gepresst. Ich wollte aufatmen und musste dann erleben, dass der Untergrund doch recht feucht war. Das war plötzlich wie ein beginnender Albtraum. Der Rover bekam das Übergewicht. Wir hatten den Rand erreicht, und ich hatte den optischen Eindruck, dass alles ganz, ganz langsam ging. Wir waren hilflos. Ich hörte Suko schimpfen, und doch dachte ich mehr an den anderen Wagen als an unseren.
Ich sah ihn wegrutschen, aber nicht fallen. Irgendwie registrierte ich diese Hoffnung nicht richtig, denn zugleich wurde ich abgelenkt, weil uns aus der Tiefe etwas entgegenflackerte. Da tanzten rote Zungen durch die Luft. Sie waren wie Schwerter geformt, die mal in die Höhe schossen und sich wieder zurückzogen.
Feuer – Höllenfeuer?
Meine Gedanken wurden durch Sukos Ruf unterbrochen. »John, halt dich fest!«
Ich tat es.
Eine Sekunde später ging es abwärts!
***
Kinder freuen sich, wenn sie über eine schiefe Ebene rutschen können. Wir rutschten auch, aber wir freuten uns nicht. Es war zwar eine schiefe Ebene, die aber führte nicht zu einem kleinen Sandkasten, sondern der Hölle entgegen.
Letzte Ausfahrt Hölle!
Es war zu einer Tatsache geworden. Wir rutschten dem flackernden Feuer entgegen, das uns auf dem Grund des Steinbruchs erwartete und sich über eine große Fläche hin ausgebreitet hatte. In der Dämmerung sahen die Flammen aus wie ein feuriges Gespenst.
Als ich einen ersten Blick hineinwarf, da glaubte ich sogar, die Umrisse einer dunklen Gestalt darin auszumachen.
Dann wurde ich von den Geräuschen abgelenkt, die uns auf dem Weg nach unten begleiteten. Der Boden bestand nicht mehr aus Erdreich. Kleinere Steine und Kiesel rutschten an unserem Fahrzeug entlang. Sie scheuerten über die Karosserie, wurden hochgewirbelt und knallten gegen die Scheiben.
Nichts stoppte unsere Rutscherei, obwohl wir manchmal tiefer in das Bett einsanken. Da hatten wir für einen Moment das Gefühl, gestoppt zu werden. Das Gegenteil trat ein. Durch das Gewicht der nachrollenden Steine wurde unser Wagen weiter und auch schneller in die Tiefe geschoben.
Das Feuer wartete.
Oder die Hölle!
Aber wir lebten noch, und das gab auch Suko bekannt. »Es hätte schlimmer kommen können.«
»Genau!«
Aus der Not eine Tugend machen, darauf kam es jetzt an. In den Gurten wurden wir hin und her geschleudert. Den Motor hatte Suko längst abgestellt. Das Zeitgefühl war uns verloren gegangen.
Wir glitten weiter der Tiefe entgegen und damit dem Feuer, aber ich interessierte mich nicht nur für mich, es gab noch diesen zweiten Wagen, der links von uns den Hang hinabglitt.
Auch der Daimler hatte sich tief in die Masse hineingewühlt. Mir kam es vor, als würde er langsamer gleiten. In seinem Innern sah ich die heftigen Bewegungen der Gestalt auf dem Rücksitz. Wahrscheinlich erlebte der Mann eine Panik wie nie zuvor in seinem Leben. Das Wissen, auf ein Feuer zuzugleiten und möglicherweise darin zu verbrennen, war auch nicht eben angenehm.
Das Gleiche stand uns bevor. Und trotzdem blieben wir relativ gelassen.
Neben mir bewegte sich Suko. Ich hatte den Eindruck, dass er mir etwas sagen wollte. Er hielt seine Worte jedoch zurück, weil er sah, dass ich mich auf das Feuer konzentrierte.
Von oben her hatte es normal ausgesehen. Jetzt, wo wir näher an es herangekommen
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