1312 - Letzte Ausfahrt Hölle
rief Glenda.
Sie hatte sich nicht geirrt. Wir erkannten nicht, wie viele Personen sich in dem alten Daimler befanden, aber aus Spaß wollten sie bestimmt nicht los.
»Okay, die stoppe ich!«
Egal, wie der Boden beschaffen war, Suko gab trotzdem Gas.
Möglicherweise hätten wir den Daimler auch noch erwischt, weil er sich recht langsam in Bewegung setzte, doch dann trat etwas ein, mit dem wir nicht gerechnet hatten.
Dass die Frau nicht vom Himmel gefallen war, lag auf der Hand.
Sie bewegte sich von der rechten Seite auf uns zu. Sie war so plötzlich da, dass Suko sich gezwungen sah, auf die Bremse zu treten, um sie nicht zu überrollen.
Wir rutschten über den leicht feuchten Boden hinweg, drehten uns dabei leicht nach rechts und standen.
Ich sprang aus dem Rover und hatte kaum die Tür offen, als Sina Long zu schreien begann.
»Sie sind unterwegs! Sie wollen in die Hölle fahren. Ich habe es gehört. Letzte Abfahrt Hölle!«
Das junge Mädchen war völlig außer sich. In den Augen leuchtete die nackte Angst. Sie zitterte am gesamten Leib, und ich hielt sie fest, weil ich befürchtete, dass sie zusammenbrechen würde.
Dann stieg Glenda aus. Sie war mit schnellen Schritten bei uns.
»Lass mich das mal machen, John!«
Es war besser, wenn sie sich darum kümmerte. Aber Zeit hatten wir nicht. Glenda führte Sina zur Seite. Das Schluchzen hörte auf.
Sie sprach unverständliche Worte. Die Stimme kippte dabei über.
Die Hände fuhren fahrig durch die Luft.
Für lange Erklärungen hatten wir keine Zeit. Die Entscheidung traf ich innerhalb von Sekunden.
»Kümmere du dich um Sina! Bleib bei ihr!«, wies ich Glenda an.
»Und ihr?«
Meine Antwort gab ich ihr durch eine Tat. Ich nahm wieder auf der Beifahrerseite Platz, rammte die Tür zu und schnallte mich an.
»Hinterher!«
Suko nickte. »Hatte ich mir fast gedacht!«
***
Uns war nicht klar, wohin der Weg führte. Zwar hatte Sina davon gesprochen, dass sie in die Hölle fahren würden, das allerdings konnte auch im übertragenen Sinne gemeint sein, denn Hölle ist nicht gleich Hölle. Und so blieben wir ihnen auf der Spur.
Wäre der alte Diesel-Daimler ein Porsche gewesen, hätten wir kaum eine Chance gehabt, ihn einzuholen. Das war er nicht, und er war auch kein neues Fahrzeug. Er brauchte, um auf Touren zu kommen. Da unter unseren Reifen kein glatter Asphalt lag, dauerte es noch länger, bis wir eine hohe Geschwindigkeit erreicht hatten.
Wir bekamen zu spüren, was sich unter dem Gras versteckte. Buckel und Löcher, durch die der Rover tanzte. Aber wir sahen auch die Fahrspuren im Gras, denn Suko hatte das Fernlicht eingeschaltet. Die kalten Streifen gaben dem Gras einen silbrigen Schein, sodass es aussah wie gepudert. Aber es erreichte auch den Daimler, dessen helle Lackierung sich gut abhob.
Suko schüttelte den Kopf. Er lachte auf und fragte: »Glaubst du wirklich, dass ihr Ziel die Hölle ist?«
»Irgendwie schon.«
»Dann ist die Hölle das Ende der flachen Strecke und zugleich der Beginn des…«
»Lass es lieber.«
Ich wollte es ja selbst nicht glauben, aber ich hatte schon verdammt viel erlebt, sodass ich nichts ausschloss. Die Hölle konnte überall sein. Sie besaß zudem kein bestimmtes Aussehen, das alles war uns klar. Vor meiner Brust hing das Kreuz. Ich hatte es bisher noch nicht eingesetzt und ging jetzt auf Nummer Sicher. Wenn mir etwas Schutz vor der Hölle gab, dann war es dieser Talisman, der mich als Sohn des Lichts kennzeichnete.
Ich steckte es in die Tasche, während ich zugleich nach vorn schaute, hinein in den hellen Vorhang aus kaltem Licht.
Wir mussten es schaffen. Wir mussten den Daimler aufhalten, egal wie. Unser Licht erreichte ihn. Es zerriss die Dunkelheit der Heckscheibe, sodass wir auch in das Wageninnere schauen konnten und dort eine Bewegung sahen.
Nicht nur von einer Person.
Es waren drei.
Der Fahrer saß vorn. Im Fond hielten sich zwei Männer auf. Zunächst sahen wir nur den einen, weil er normal auf seinem Sitz saß.
Dann erschien ein zweiter. Er tauchte auf wie aus einem dunklen Gewässer. Auf uns wirkte er wie ein Schattenriss, der durch die heftigen Bewegungen des Fahrzeugs auf und nieder tanzte.
Für uns stand fest, dass Rico Genari den Daimler fuhr. Er hatte inzwischen bemerkt, dass er verfolgt wurde. Deshalb drückte er aufs Gaspedal. So wurde der weiße Wagen schneller, aber das Ziel war noch nicht zu sehen. Vor uns hatte die Dämmerung ihr Tuch über alles gelegt und spielte den großen
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