1314 - Im Bann der schönen Nymphe
Vorsprung hatten, doch darum musste ich mich nicht kümmern. Für mich stand fest, dass dieser Teich ein Geheimnis verbarg, und das wollte ich auf alle Fälle herausfinden.
Ich glitt in die Tiefe. Im Wasser hatte ich meine Haltung verändert und schwamm jetzt im schrägen Winkel dem Grund entgegen. Dabei wunderte ich mich über die Tiefe des Teichs. Ich hätte das Ende längst erreicht haben müssen.
Etwas trieb mir entgegen. Ich machte mir nicht die Mühe, ihm auszuweichen. Es war dunkel und glitschig. Wie der Fangarm eines Kraken. Der lauerte jedoch nicht auf mich. Was da in die Höhe stieg, war irgendein Zeug, das sich aus Pflanzenresten gebildet und die Form eines Pferdeschwanzes bekommen hatte. Glitschig und auch widerlich trieb es an mir vorbei und streichelte noch mein Gesicht an der rechten Seite.
Es war still. Es gab keinerlei Geräusche. Ich hielt die Augen weit offen und den Mund fest geschlossen. Ab und zu lösten sich ein paar Luftblasen aus meinen Nasenlöchern, das war alles. So sacht und sanft ich auch immer tiefer sank, umso mehr breitete sich die Unruhe in mir aus. Ich hätte den Grund schon längst erreichen müssen. Stattdessen ließ ich mich tiefer sinken, ohne an ein Ziel zu gelangen. Aber der Schlamm war da. Ich sah die dunkle Masse und entdeckte auch, dass sie in Bewegung geraten war.
Etwas hatte sie regelrecht aufgewühlt. Ich ging davon aus, dass es an den beiden anderen gelegen hatte und irrte mich total.
Etwas anderes trieb hoch…
Gestalten, die leicht grünlich schimmerten, wobei ich meinen Augen trotzdem nicht traute, denn es waren keine normalen Leichen irgendwelcher ertrunkener Menschen, sondern fleischlose Gerippe.
Skelette!
Fast hätte ich meinen Mund geöffnet, denn mit einer derartigen Überraschung hatte ich nicht gerechnet. Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen, doch ich schaffte es nicht, mich gedanklich mit der Herkunft der Skelette zu beschäftigen.
Ich musste sie abwehren, denn sie dachten nicht daran, ihren Weg zu verändern. Mir gelang es nicht, sie aus ihrer Richtung zu bringen, und so trieben sie auf mich zu.
Gleich zwei versperrten mir den Weg.
Ich nahm beide Hände und räumte sie zur Seite. Als ich sie anfasste, spürte ich, wie glitschig sie waren. Normal hätte ich sie nicht festhalten können. Da wären sie mir aus den Fingern geglitten. Durch meine Anstöße trieben sie vorbei und verschwanden hinter mir.
Allmählich spürte ich, dass die Luft knapp wurde. Jetzt wäre der Zeitpunkt eigentlich gekommen, um umzudrehen, Luft zu holen und es noch mal zu versuchen.
Das tat ich nicht. Ich bewegte meine Beine und schwamm wie ein Frosch weiter.
Ich hatte etwas gesehen!
Etwas war heller geworden. Direkt vor mir. Die grüne Farbe war zwar geblieben. Diesmal jedoch von einem Licht erhellt, das irgendwo hinter ihr schimmerte.
Es hatte etwas zu bedeuten, das war mir schon klar. Und diesmal nahm ich auch die Arme zu Hilfe. Mit einer kräftigen Schwimmbewegung brachte ich mich voran, sehr wohl wissend, dass die Luft immer knapper wurde. Aber ich schwamm der grünen Farbe entgegen und damit auch einer gewissen Erleuchtung.
Es war zu schaffen.
Treffer!
Das Wasser gab es nicht mehr. Das grüne Licht hielt mich umfangen. Ich bewegte mich. Kann sein, dass ich auch durch eine fremde Kraft getrieben wurde, aber meine Umgebung hatte sich radikal verändert, denn es gab das Wasser nicht mehr.
Ich riss den Mund auf!
Luft! Ja, ich bekam Luft und wusste nur, dass ich das Ziel in einer anderen Dimension erreicht hatte…
***
Jenny Mason hörte einen Schrei!
Es war mehr ein Jubelruf. Erst nach einigen Sekunden kam sie dahinter, dass sie es gewesen war, die diesen Laut ausgestoßen hatte. Sie freute sich, sie verspürte wieder Hoffnung, denn sie hatte etwas in diesem Tunnel gesehen, das ihr zuerst unglaublich erschien.
»Jemand kommt!«, flüsterte sie. »Jemand ist hier. Bald hier. Er will mich holen.«
Ganz in ihrer Nähe hörte sie ein böses Knurren. Als wäre ein Tier eingetroffen. Jenny drehte sich nach rechts und sah das böse Mädchen vor sich. So hatte sie es getauft. Eine Nymphe, die ihre eigentliche Bestimmung verloren hatte.
»Er wird sterben!«, flüsterte Jamilla. »Er wird es nicht so gut haben wie du. Es gibt für ihn keinen Beschützer, das kann ich dir versprechen. Niemand darf uneingeladen in diese Welt eindringen. Niemand – hast du das verstanden?«
»Aber er kommt.«
»Ja, ich habe ihn gesehen. Und ich werde ihn auch erwarten.«
Jenny
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