1315 - Das Lied von Blut und Tod
Augen sagte ihm, dass er vorsichtig sein musste. Mit einer wie Justine Cavallo war nicht zu spaßen.
Sie saß in ihrem Sessel und hielt die Beine übereinandergeschlagen. Sehr lässig, sehr cool. Das leere Glas hatte sie zurück auf den Tisch gestellt. Dann nickte sie. »Dein Tipp ist sehr gut gewesen, Sir, ich habe sie gefunden.«
»Das sagte ich doch.«
»Aber ich habe nur einen gebissen«, erklärte sie lächelnd. »Ich war satt, man soll es ja nicht übertreiben, und deshalb kann ich auch dich in Ruhe lassen. Wenn Mike erwacht, wird er die Wahl zwischen zwei Blutträgern haben. Ich glaube allerdings, dass er hungrig genug sein wird, um sich an beiden satt zu trinken.«
»Ich hoffe es.«
»Ach!« Die blonde Bestie spielte die Überraschte. »Und du hast keine Angst davor, dass sie später im Stigmata auch dein Blut wollen?«
»Nein, das habe ich nicht. Du bist ja bei mir. Wenn mich jemand leer saugen wird, wirst du es sein. Zuvor aber werden wir noch heiße Stunden verbringen. So lautete schließlich unsere Abmachung, wenn du dich recht erinnerst.«
»Dunkel.«
Auch er leerte sein Glas. »Es gibt keinen Rückzieher.« Cecil Banks lachte und legte den Kopf zurück. Er schaute gegen die hohe Decke des Altbaus, die silbergrau gestrichen war. Der Betrachter konnte das Gefühl haben, zahlreiche Sternenschnipsel zu sehen, die ihm entgegenfunkelten. Im Gegensatz dazu waren die Wände dunkel gestrichen. Nicht schwarz oder grau, sondern mit einer Farbe, die den Vergleich mit Ochsenblut standhielt. Der Sir fand es für seine Behausung extrem wichtig, so zu leben.
Große Fenster lockerten die Wände auf. Sie waren jedoch kaum zu sehen, weil die Vorhänge bis zum Boden hingen und die Scheiben verdeckten, aber nicht alles Licht filterten. Ein Teil davon sickerte in den großen Raum hinein.
»Noch ein Glas, Justine?«
»Nein.«
»Der Tipp ist es wert.«
»Später vielleicht.«
Der Sir lächelte und zuckte mit den Schultern. »Es ist noch Zeit, bis wir das Stigmata besuchen.«
»Mach dir keine Hoffnungen. Die Nacht ist wichtig, mein Freund, und die Umgebung.«
Cecil Banks sagte nichts. Er war nicht zufrieden, das sah man ihm an. Sein Blick sprach Bände. Wäre es eine andere Person gewesen, er hätte sich sicherlich auf sie gestürzt, doch die blonde Bestie war keine normale Frau und nicht mal ein normaler Mensch.
Er wollte etwas sagen, doch in seiner Nähe stand das Telefon, das anschlug. Es war ein altertümlicher Apparat, der aus dem vorletzten Jahrhundert hätte stammen können, doch die moderne Technik hatte ihn aufgepäppelt.
»Ja«, sagte er nur.
Dann das kurze Zuhören. Das Erstaunen auf seinem Gesicht. »Du bist es, Vanessa, was willst du?«
Sie sagte es ihm. Der Sir hörte zu, schaute dabei allerdings Justine Cavallo an. Und die entnahm seiner Reaktion, dass der Anruf nicht gerade positiv für ihn war.
Justine versuchte durch konzentriertes Zuhören herauszufinden, mit wem Banks sprach, doch er hielt sich ziemlich zurück. Seine Antworten klangen einsilbig, sodass sie aus ihnen nichts entnehmen konnte.
»Natürlich, meine Liebe, heute Abend. Keine Sorge. Ich glaube dir nicht nur, ich werde dich auch beschützen. Darauf kannst du vertrauen, Vanessa.«
Er legte auf.
Justine setzte sich aufrecht hin. »Vanessa?«, fragte sie leise. »Hieß so nicht die Frau, die Geige spielt?«
»Ja.«
»Was ist los?«
Cecil Banks dachte nach. Sein Gesicht sah dabei nicht gut oder locker aus. »Es gibt wohl ein Problem«, sagte er leise.
»Ich höre.«
»Mike hat es wohl nicht geschafft, beide leer zu saugen. Eine ist entkommen, aber sie hat Mike noch als Vampir in seinem Sarg liegen sehen.«
»Sie weiß also Bescheid?«
»Natürlich.«
»Und jetzt?«
»Hat sie Angst«, erklärte Cecil. »Ich habe versucht, sie ihr zu nehmen. Man muss solche Menschen beruhigen.« Er streckte seinen Arm vor und spreizte dann seine Finger. »Und dann – dann werden wir sie haben.« Er ballte die Hand zur Faust und nickte.
Die blonde Bestie nickte nicht. Sie kannte das Spiel, und Misstrauen gehörte dazu…
ENDE des ersten Teils
[1] Siehe John Sinclair Nr. 1314 »Im Bann der schönen Nymphe«
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