1315 - Das Lied von Blut und Tod
sondern schon länger. Sie gehen ihre eigenen Wege, die ich nicht gutheißen kann. Aber man steckt nicht drin.«
»Und was ist mit Ihrem Mann?«
Sie winkte scharf ab. »Weg! Schon lange.«
»Haben Sie denn eine Ahnung, wo wir Mike und Mona finden können?«, fragte Suko.
Carla Delano überlegte. Sie gab sich Mühe, das erkannten wir, aber sie stand noch immer vor uns wie die arme Sünderin. »Auch das kann ich Ihnen nicht sagen. Der Kontakt zu meinen Kindern ist abgebrochen. Wenn Sie mich fragen, wann ich sie zum letzten Mal gesehen habe, dann kann ich Ihnen das auch nicht sagen. Es sind sicherlich zwei oder mehr Jahre her.«
»Leiden Sie darunter?«
»Jetzt nicht mehr.«
»Dann haben Sie es überstanden?«, fragte Suko.
»Nein, das nicht. Ich werde öfter an sie erinnert. So wie heute von Ihnen. Aber ich kann nicht helfen. Ich weiß nur, dass sie einer so seltsamen Gruppe angehören. Sie treiben sich herum, sie lieben Vampire, sie wollen zu Geschöpfen der Nacht werden, und das alles kann ich nicht begreifen. Man hat mir von ihren Kollegen gesagt, dass sie sogar scharf auf Blut sind.«
»Das haben wir auch gehört«, sagte ich.
»Und? Stimmt es?«
Ich hob die Schultern. »Wie gesagt, es gibt einige Anzeichen. Um Genaues zu erfahren, müssten wir mit ihnen reden. Und dazu müssen wir sie erst mal haben.«
»Das ist wohl wahr. Aber ich kann Ihnen beim besten Willen nicht helfen.«
Ich bohrte weiter. »Fällt Ihnen denn nichts dazu ein? Haben Sie nichts von Ihren Kindern gehört? Nicht mal, wo sie sich aufhalten? Können Sie dazu nichts sagen?«
»Ich weiß nicht mal, ob sie einen festen Wohnsitz haben. Als sie noch bei mir wohnten, sind sie auch ziemlich viel weg gewesen. Immer gemeinsam, und sie haben sich damals auch schon so komisch gekleidet. In Schwarz und mit Ketten und Silber. Auch Samt gehörte dazu. Ich habe es auf ihre Jugend geschoben.«
»Dann gingen sie wohl in die entsprechenden Lokale«, sagte ich.
»Das nehme ich an.«
»Kennen Sie einen Namen?«
Mrs. Delano überlegte. Sie wischte ihre Hände dabei am Kittel ab.
»Nein, Mr. Sinclair, ich kenne keinen. Oder habe ihn vergessen. Ich interessierte mich dafür nicht.«
»Stigmata«, sagte ich.
Da hob sie den Kopf.
»Und? Erinnern Sie sich?«
Noch mal musste sie nachdenken. Nach einer Weile nickte sie.
»Ja, ja, Mr. Sinclair. Das ist so. Ich erinnere mich jetzt. Es hatte so einen seltsamen Namen.«
»Wunderbar.«
»Aber ich weiß nicht, ob sie noch immer in dieses Lokal gehen.«
»Davon werden wir uns selbst ein Bild machen.«
Die Frau atmete auf. Sie kam uns beiden erleichtert vor. »Darf ich Sie noch etwas fragen?«
»Jederzeit.«
»Was haben Mona und Mike denn jetzt wieder angestellt?«
»So genau kann man das nicht definieren«, erklärte ich.
»Widerstand gegen die Staatsgewalt.«
»Also kein Überfall wie früher?«
»In diesem Fall nicht.«
»Das ist ja schon mal positiv. Wissen Sie, die beiden haben von Kindheit an schon immer zusammengehalten. Obwohl ich ihre Mutter bin, kam ich an sie nicht heran. Sie sind mir immer fremd geblieben und haben sich in ihrer eigenen Welt eingeschlossen. Sie mochten alles, was schwarz war und was mit Friedhöfen und Leichen zu tun hatte. Sie hatten sogar das Glück, beide einen Job zu finden.«
»Wo denn?«, fragte Suko.
»Sie werden lachen. Bei einem Beerdigungsinstitut. Dort haben sie Leichen gewaschen und auch eingesargt.« Die Frau schüttelte sich. »Ich bekomme schon eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke. Für mich war das grauenhaft.«
»Es muss Menschen geben, die diese Arbeit machen.«
»Stimmt auch wieder.«
Ich schaute durch das große Fenster in die Halle hinein. Edward Norton war noch da. Wie ein kleiner, aber vorn aufgequollener Napoleon marschierte er auf und ab. Er hielt seine Frauen unter Kontrolle, warf hin und wieder auch einen Blick zu seinem Bürofenster, sah uns dahinter und drehte sich schnell weg, als er bemerkte, dass ich ihn beobachtete.
»Mehr kann ich Ihnen dann nicht sagen, meine Herren. Es tut mir selbst Leid.«
Suko beruhigte sie. »Das macht nichts. Wir haben durch unsere Unterhaltung schon eine Bestätigung bekommen.«
»Wenn das so ist…« Sie räusperte sich und hob den Kopf an. Wir sahen, dass sie ihre Tränen nur mühsam unterdrückte. Das Schicksal ihrer Kinder schien ihr doch nahe gegangen zu sein. »Bitte, wenn Sie etwas von Mike und Mona hören – egal, ob positiv oder negativ – lassen Sie es mich bitte wissen.«
Wir
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