1318 - Terror am Totenbett
abgegeben. Die hatte sie schon behalten. Was sollte es?
Auf der anderen Seite war ihr Großonkel wirklich ein alter Mann und zudem noch krank. Sonst hätte er sie nicht gerufen, um über das Erbe zu sprechen.
Claudia drehte den Zündschlüssel und startete. Lange würde es hoffentlich nicht dauern. Dann würde sie vor Einbruch der Dämmerung wieder zurück in London sein.
Dass die ewige Dunkelheit auf sie warten könnte, auf diesen Gedanken kam sie nicht…
***
Die Gläser waren leer und Paul hatte auch nicht nachgeschenkt. Zu viel wollten sie nicht trinken, denn sie erwarteten die Besucherin, die Großnichte Claudia Anderson.
»Sie ist eine sehr schöne Frau, Paul, ich habe vor kurzem mal ein Foto von ihr gesehen.«
»Ihr Bruder sah auch nicht schlecht aus.«
»Ich weiß. Du wärst gern mit ihm ins Bett gegangen, wie?«
»Sir, die Zeiten sind vorbei. Man wird älter. Ich weiß, wo meine Aufgaben liegen.«
»Da hast du Recht.« Sir Peter verzog den Mund. »Die Zeiten bleiben nicht stehen, das ist das Schlimme. Aber ich will so lange wie möglich leben. Deshalb habe ich vorgesorgt.«
»Es war wohl richtig.«
»Klar«, murmelte er und starrte mit dem gesunden Auge auf seine Hände. Dort verteilten sich bräunliche Altersflecken auf der hellen Haut. »Leider werde ich nicht jünger. Das hat der Teufel nicht geschafft. Ich wäre so gern jung.«
»O ja, Sir, es waren wilde Zeiten. Ich erinnere mich noch gut daran. Auch bei mir.«
»Die Frauen, Paul, was habe ich die Frauen geliebt und sie mich. Ich war ein Kavalier und in noch jüngeren Jahren auch ein Dandy. Ich habe sie alle bekommen, aber jetzt…«
»Man muss eben in der Erinnerung leben.«
»Das will ich aber nicht. Ich hasse es. Ich bekomme noch immer das Funkeln in den Augen, wenn ich die herrlichen jungen Frauen sehe. Dann könnte ich wieder…«, er winkte müde ab. »Aber der Körper ist schwächer geworden. Wenn du meine Großnichte siehst und versuchst, dich in mich hineinzudenken, wirst du wissen, was ich meine.«
»Ich war ja oft dabei.«
Der Lord lachte mehr nach innen als nach außen. »Ja, das weiß ich. Manchmal hast du sie mir sogar gebracht.«
»Das habe ich gern getan.«
»Sie waren mir sehr zugetan. Aber das mussten sie auch, denn ich habe sie immer sehr gut entlohnt.«
Um den Lord wieder aufzuheitern, schlug der Butler etwas vor.
»Ich könnte entsprechende Filme besorgen, die es früher noch nicht gegeben hat.«
»Ja, das könntest du. Aber was bringt es? Sind die Filme aus Fleisch und Blut?«
»Leider nein.«
»Eben. Ich möchte das Fleisch spüren. Die heiße Haut. Die Brüste und die straffen Schenkel.« Er hob die Schultern und legte sich in seinem Bett zurück. Dabei deutete er auf das linke Auge. »Das echte habe ich dem Teufel geopfert. Dass ich meine Verwandtschaft der Reihe nach zur Hölle schicke, ist ihm auch Recht. Und jetzt hoffe ich darauf, dass er noch einen Schritt weitergeht.«
Paul hatte verstanden. »Sie wollen, dass er… ich meine, dass er Ihnen die Kraft zurückgibt?«
»Wäre doch nicht schlecht, oder? Dem Teufel ist doch vieles möglich, habe ich mir sagen lassen.«
»Ja, das könnte sein.«
»Meine Großnichte«, flüsterte der Lord. »Wenn wir sie ihm ganz persönlich weihen, wird er vielleicht mit sich reden lassen. Oder welcher Meinung bist du?«
»Das könnte zutreffen.«
»Gut.«
»Wollen Sie es so handhaben?«
»Es ist einen Versuch wert.«
Paul musste sich räuspern, bevor er fragte: »Wie nehmen wir es in Angriff, Sir?«
Lord Peter ließ sich Zeit mit der Antwort. »Da muss ich noch überlegen. Wir dürfen natürlich nicht mit der Tür ins Haus fallen und müssen sie in Sicherheit wiegen. Wenn sich Claudia für unsere Seite entscheidet, wäre das ein Vorteil.«
»Sehr schlau gedacht, Sir.«
»Eine Theorie, Paul, nicht mehr.«
»Die wir gemeinsam in die Tat umsetzen sollten. Denken Sie daran, was wir schon alles geschafft haben.«
»Da hast du Recht.«
Paul gestattete sich ein Grinsen und bleckte dabei seine gelben Pferdezähne.
»Wir sind noch da, Sir!«
»Genau!«
»Und wir sind gut!«
Der Lord musste lachen. »Meinst du das wirklich, Paul?«
»Sonst hätte ich es nicht gesagt.« Der Butler wusste, wie er Sir Peter zufrieden stellen konnte. Er wollte noch konkreter werden, da er sich schon mit den entsprechenden Vorschlägen beschäftigte, doch der Klang der Türglocke lenkte ihn ab.
»Das wird Ihre Nichte sein, Sir.«
»Ja, Paul, dann lass Sie mal rein…«
***
Nach
Weitere Kostenlose Bücher