1318 - Terror am Totenbett
einer kurzen Suche, was Claudia Anderson allerdings nichts ausgemacht hatte, war es ihr gelungen, das Haus zu finden. Sie hatte sich durch das Klingeln bemerkbar gemacht und wartete nun darauf, dass man ihr öffnete.
Es gab Menschen, die sie als coole oder als toughe Person bezeichneten. Wer das tat, dem widersprach sie nicht. Hätte man sie jedoch hier vor der Tür darauf angesprochen, dann wäre ihr die Antwort verdammt schwer gefallen.
Nein, sie war nicht mehr cool. Sie war angespannt, und sie glich einem nervösen Rennpferd kurz vor dem Start. Sie wusste nicht, was sie erwartete, aber sie hatte auch die Warnungen des Polizisten nicht vergessen, und auf dem Weg zum Haus hatte sie sich immer wieder verstohlen umgeschaut und nach einem Killer Ausschau gehalten.
Ihr war nichts aufgefallen, und so hatte sie sich zu der Lösung entschlossen, die ihr am besten gefiel. Der Killer existierte gar nicht.
Er war eine Phantomfigur.
Deshalb galt ihm ihre Aufregung nicht, sondern dem, was vor ihr lag, und das war eine Überraschung. Einen Verwandten zu sehen, dessen Existenz sie fast aus dem Gedächtnis verbannt hatte und…
Jemand öffnete die Tür.
Er zog sie so weit auf, dass Claudia bequem hätte eintreten können. Das wiederum tat sie nicht, denn sie schaute aus großen Augen auf den Mann, der vor ihr stand. Sie glaubte wieder, ein kleines Kind zu sein. Obwohl sie erwachsen geworden war und sich verändert hatte, kam ihr dieser Mensch noch so vor wie früher.
Das war fast unmöglich. Sie konnte es kaum glauben, doch es stimmte.
Der Butler, der schon immer bei ihrem Großonkel gewesen war und sein Vertrauen genossen hatte.
Auch jetzt noch.
Ihr fiel nur der Name nicht ein. Sie grübelte, und die dabei entstehenden Veränderungen auf ihrem Gesicht schien der Butler zu bemerken. Ohne dass er großartig seine Lippen bewegte, sagte er:
»Ich bin Paul.«
Die Klappe rutschte hoch. Ja, jetzt wo er seinen Namen selbst gesagt hatte, fiel es ihr wieder ein. Natürlich, das war Paul, der Butler.
Die nächsten Worte kamen ihr selbst dumm vor, denn sie sagte:
»Sie… Sie … sind noch da, Paul?«
»Ja, Lady Claudia, das bin ich.«
»Wie schön für Sie und auch für meinen Großonkel. Dann ist er nicht so allein.«
»Sie sagen es. Aber wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf, Lady Claudia.«
»Bitte, gern.«
»Sie sind zu einer sehr schönen jungen Frau geworden. Das muss ich Ihnen ehrlich sagen.«
»O, danke, das freut mich sehr.« Sie bekam tatsächlich einen roten Kopf. Von wegen Coolness.
»Dann darf ich Sie bitten, einzutreten.«
»Gern.« Jetzt war das Eis gebrochen, und Claudia freute sich darüber. Sie brauchte sich auch keine Gedanken mehr zu machen.
Der Butler schloss die Tür hinter ihr und deutete bereits mit der Hand nach vorn, aber Claudia wollte noch nicht gehen.
»Eine Sache noch«, sagte sie.
»Bitte.«
Sie trat näher an Paul heran und nahm sogar seinen Geruch wahr, der aus der Kleidung strömte. Dieser Duft irritierte sie leicht.
Paul roch, als hätte er sich vor ein paar Minuten noch in der freien Natur aufgehalten. Und auch einen leichten Modergeruch konnte er nicht verbergen. Nun ja, das tat nichts zur Sache und verhinderte vor allen Dingen nicht die Frage, die sie auf dem Herzen hatte.
»Können Sie mir sagen, wie es meinem Großonkel wirklich geht? Und bitte, seien Sie ehrlich.«
»Hm.« Paul sagte nichts weiter. Er hob nur seine Augenbrauen an. Dadurch bewegte sich auch die Haut auf der Stirn, sodass seine Mimik noch etwas blasierter wirkte.
»Wollen, dürfen oder können Sie nicht reden, Paul?«
»Das hat damit nichts zu tun. Ich denke nur über die richtige Antwort nach.«
»Steht es denn so schlimm um Lord Peter?«
Paul fuhr über sein Kinn, auf dem sich kein Bartstoppel zeigte.
»Ihr Großonkel ist nicht mehr der Jüngste. Er hat sich einen Virus eingefangen, der immer wieder für neue Fieberschübe sorgt und ihn ans Bett fesselt. Da muss man schon Rücksicht nehmen.«
»Also ist er…«
Paul ließ sie nicht ausreden. »Sie dürfen mich nicht falsch verstehen. Er steht nicht mit einem Bein im Grab, aber in seinem Alter und bei seiner Krankheit ist er auch nicht weit davon entfernt. Sogar so nahe, dass er seine Dinge in Ordnung bringen möchte. Ich muss ja nicht näher darauf eingehen, Sie wissen, was ich meine.«
»Natürlich weiß ich das.«
Paul konnte plötzlich lächeln. »Aber zu große Sorgen müssen Sie sich nicht machen. Sir Peter ist ziemlich zäh und hat
Weitere Kostenlose Bücher