1318 - Terror am Totenbett
das Geld nicht so dringend gebraucht, sie wäre irgendwann umgekehrt und keinen Meter mehr gefahren, denn das Haus ihres alten Verwandten lag einfach zu versteckt, und da brachte auch kein Satellitenleitsystem etwas. Das Haus und die genaue Adresse waren auf dem Display nicht zu sehen. Nur die ungefähre Richtung stimmte. Danach musste sie gewisse Pfadfinderkenntnisse anwenden und sich die Karte im Autoatlas genau anschauen.
Ein paar Mal knurrte sie wütend vor sich hin, während sie am Rand der Straße parkte. In dieser Gegend waren nicht sehr viele Fahrzeug unterwegs. Ihr kamen mehr entgegen als sie überholten.
Sie achtete nicht darauf und nahm die Fahrzeuge auch nur als Schatten wahr, wenn sie über die Scheiben des Toyotas hinweghuschten. Das Auto hatte sie erst vor drei Monaten gekauft und war damit sehr zufrieden.
Sie konnte sich auch schlecht konzentrieren. Zu viele Dinge gingen ihr durch den Kopf. Immer wieder musste sie an den Makler denken, der um sein Leben kämpfte. Da glaubte sie John Sinclair jedes Wort. Er hatte bestimmt keinen Grund, sie anzulügen. Im Übrigen hatte sie ihn als einen netten Menschen eingestuft und hätte sogar eine Einladung zum Essen gern angenommen.
Möglicherweise kreuzten sich ihre Wege noch mal. Das Schicksal hielt immer wieder Überraschungen bereit.
Claudia Anderson rauchte nicht oft. Diesmal steckte sie sich einen Glimmstängel an, während sie auf der Karte suchte.
Die Umgebung füllte sich mit Rauch. Sie wedelte ihn weg und beugte sich noch tiefer über die Karte.
Das Klopfen an der Scheibe störte sie und schreckte sie zugleich hoch. In den Wagen hinein schaute das Gesicht eines Mannes. Claudia kam sich vor wie ein Fisch in einem Aquarium, der von der anderen Seite der Glasscheibe beobachtet wurde.
Zum Gesicht gehörte ein Körper, und der steckte in einer Uniform. Es war ein Polizist, der etwas von ihr wollte. Sie fühlte sich schon erleichtert.
Das Fenster an der Fahrerseite rutschte nach unten. Da sie einen Blick in den Außenspiegel erhaschte, sah sie nicht weit entfernt einen Streifenwagen stehen, in dem der Kollege wartete.
»Madam«, grüßte der Mann.
Claudia drückte die Zigarette so heftig aus, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.
»Hallo«, sagte sie.
»Probleme?«, fragte der Mann.
»Ach, nicht direkt.«
»Vielleicht kann ich Ihnen trotzdem helfen?«
»Okay.« Sie strich kurz über ihre Nase hinweg. »Ich suche das Haus eines Verwandten. Lord Peter Wexley. Ich war lange nicht mehr bei ihm und habe die Adresse vergessen.«
»Da kann ich Ihnen helfen.«
»Ehrlich?«
»Ja.«
»Ich höre.«
Der Beamte lächelte. In den folgenden zwei Minuten sprach er und wies in die korrekte Richtung.
Claudia hörte genau zu. Jetzt, wo sie es wusste, gab es keine Probleme mehr.
Aber der Polizist hatte noch eine Frage. »Sie wollen wirklich zu Lord Peter Wexley?«
»Das sagte ich Ihnen doch.«
Er runzelte die Stirn.
»Warum?«
»Nun ja, in der letzten Zeit… also, ich will Sie nicht in Angst versetzen, Madam, aber …«
»Reden Sie schon.«
»Es sind einige Dinge passiert, die uns veranlasst haben, hier öfter Streife zu fahren. Es sind einige Menschen verschwungen.«
»Sagen Sie nur!«
»Ja.«
»Und was hat mein Großonkel damit zu tun? Hat er sie vielleicht verschwinden lassen?«
Über diese Frage konnte er nicht mal lachen. Die Augen, die so dunkel wie sein Oberlippenbart waren, nahmen einen besorgten Ausdruck an. »Wir wissen nicht, wer sie hat verschwinden lassen. Wir wissen auch nicht, ob uns Sir Peter weiterhelfen kann, schließlich ist er ein kranker Mann, wie wir festgestellt haben…«
»Eben.«
»Aber«, so fuhr der Polizist fort, »Sie sollten dennoch vorsichtig sein, denn wir gehen davon aus, dass sich in dieser nicht eben gut einsehbaren Umgebung ein menschliches Ungeheuer herumtreibt, das es eben auf Opfer abgesehen hat.«
»Und man hat nichts gefunden?«
»Nein.«
Claudia kam ins Grübeln. Dann meinte sie, die anderen Gedanken verscheuchend: »Nun ja, wir haben Tag. Es ist hell. Außerdem fahren sie Patrouille. Was soll mir schon passieren?«
»Das stimmt, und es ehrt uns auch, dass Sie so denken. Nur können wir nicht überall sein. Das sollten Sie auch bedenken.«
»Genau das werde ich tun.«
»Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.«
»Danke gleichfalls, Officer.«
Claudia lächelte. Wieder hatte sie einen Polizisten kennen gelernt, den sie sehr nett fand. Aber er hatte seine Warnungen nicht umsonst
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