1318 - Terror am Totenbett
auch seinen Humor behalten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Er meinte, er hätte Lokalverbot auf dem Friedhof.«
Das passte. Ja, das passte genau zu ihm. Claudia konnte nicht anders, sie fing an zu lachen und schüttelte dabei den Kopf. Das war typisch für den alten Lord. So und ähnlich war auch in der Verwandtschaft über ihn gesprochen worden. Claudia war keine Erbschleicherin, die einem Verwandten den Tod wünschte. In diesem Fall und bei derartigen Reaktionen wünschte sie ihm sogar ein langes Leben.
»Wenn das so ist, Paul, brauche ich mir ja keine großen Sorgen um ihn zu machen.«
»Genau.«
»Können wir jetzt zu ihm?«
»Ja, aber nicht so stürmisch, Lady Claudia. Ich werde vorgehen und Sie melden.«
»Freut er sich denn auf mich?«
Der Butler schaute die Besucherin mit einem seltsam starren Blick an. Claudia trat unwillkürlich etwas zurück. Sie merkte auch das Frösteln auf ihrem Rücken.
»Habe ich was Falsches gesagt?«
»Nein, das nicht. Ich gebe Ihnen auch gern eine Antwort. Ja, er freut sich auf Sie.«
»Dann bin ich ja zufrieden.«
»Vor allen Dingen, wenn er eine so schöne junge Frau sieht wie Sie es sind.«
»Hören Sie doch auf.«
»Aber es ist so.«
»Klar, das weiß ich. Ein Schwerenöter ist er schon immer gewesen. Er hat nichts anbrennen lassen. Das weiß ich von den anderen Verwandten.«
Paul wollte nicht näher auf das Thema eingehen. Er besann sich wieder auf seine eigentliche Aufgabe. »Bitte, warten Sie hier. Ich sage Ihrem Großonkel Bescheid.«
»Natürlich, gern.«
Der Butler verschwand. Er ging so leise, dass sein Auftreten auf dem Boden kaum zu hören war.
Claudia blieb zurück in einem Haus, das sie von ihrem Geschmack her nicht unbedingt mochte. Sie liebte helle Räume mit einer ebenfalls hellen Einrichtung. Hier stand sie inmitten des Gegenteils.
Obwohl es draußen Tag war, brachten die großen Fenster nicht viel Licht, denn vor einigen waren lange Stoffbahnen vorgezogen worden, die einen großen Teil der Helligkeit filterten. Es herrschte eine Atmosphäre wie zwischen Tag und Traum, ohne diesen jedoch erreichen zu können, denn es fehlte wirklich jegliche Romantik. An die Möbel konnte sich Claudia nicht erinnern, doch sie waren bestimmt vier Mal so alt wie sie. Dunkles Holz für zwei wuchtige Sessel, die vor einer Wand standen, an der zwei Gemälde hingen, die Porträts zeigten. Es waren ein Mann und eine Frau, und beide blickten sehr streng auf den Betrachter herab.
Ein Licht gab es auch. Die Stehlampe mit dem schweren Metallfuß stand ungefähr dort, wo auch der Butler verschwunden war.
Ihre Leuchtkraft erreichte nur einen kleinen Teil des unteren Bereichs. Auf dem Boden verlor sich der honiggelbe Schein mit seinem rötlichen Schimmer.
Ihre gute Laune war verschwunden. Sie spürte eine Kälte, die immer stärker in ihr hochstieg. Zwar schwebte über ihr eine hohe Decke, doch wenn sie den Kopf in den Nacken legte und hinschaute, dann empfand sie diese als sehr dunkel und bedrückend, als wollte sie sich jeden Augenblick niedersenken und den Besucher zerquetschen.
Das Haus war still. Zu still für ihren Geschmack. Hier gab es kein Leben und keine Atmosphäre, die man genießen konnte. Nur eben die Stille, in der sich auch etwas Lauerndes versteckte.
Durch das leise Echo der Schritte wurde sie unterbrochen. Der Butler kehrte zurück und diesmal ging er normal.
»Und? Kann ich zu ihm?«
Paul blieb stehen, lächelte sie an und sagte. »Kommen Sie, Lady Claudia, Ihr Großonkel freut sich auf Sie. Und es geht ihm heute sogar recht gut. Das war gestern nicht so.«
»Oh, das ist gut.«
Nebeneinander gingen sie her. Vorbei an der Lampe, die aus dem Butler für einen Moment eine helle Gestalt machte, bevor ihn wieder dieses Dämmerlicht verschluckte.
Die Tür zum Zimmer des Lords war nicht geschlossen. Ein zu kleiner Spalt stand offen, sodass Claudia nicht hindurchschauen konnte.
Paul öffnete die Tür für sie.
»Bitte, ihr Onkel wartet.«
»Danke.« Mit laut klopfendem Herzen setzte sich die junge Frau in Bewegung…
***
Noch bevor Claudia Anderson die Schwelle richtig überschritten hatte, wehte ihr die Stimme des alten Lords entgegen, und er bewies, dass Frauen für ihn noch immer etwas Wunderbares waren.
»Ah, die Sonne betritt mein Zimmer. Komm näher und lass dich anschauen, schöne Frau.«
Claudia schluckte. Sie konnte nur überrascht sein. Mit einer derartigen Begrüßung hatte sie nicht gerechnet, und sie fragte sich wirklich, ob hier ein
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