132 - Die Seelenfänger
von zwei Vierkanttürmen zu sehen, die durch eine Mauer aus Steinquadern verbunden waren. Die Mauer wies oben Schießscharten auf. In der Mitte, zwischen den beiden Türmen, zeichnete sich ein Torbogen ab.
Dorian packte Coco plötzlich am Arm und deutete nach unten. Coco wäre beinahe in den Burggraben gestolpert. Einige Schritte weiter befand sich eine Brücke, die zum Tor führte. Die Bohlen waren bemoost, vom Brückengeländer hing Seetang - und es roch auch danach.
„Das muß die Zitadelle sein", sagte Dorian. „Die Algenablagerungen und der durchdringende Seegeruch scheinen darauf hinzuweisen, daß sie zeitweise unter Wasser steht."
„Also ist die uralte Magie immer noch wirksam", meinte Coco. „Ich kann die Ausstrahlung fast körperlich spüren. Das gefällt mir nicht."
„Olivaro wird schon wissen, warum er uns herbestellt hat", sagte Dorian beruhigend, aber auch ihm war nicht wohl in seiner Haut. Er schloß nicht aus, daß es sich um eine Falle ihrer Feinde handelte. Plötzlich ging in einem der oberen Fenster des linken Turms ein Licht an. In dem erhellten Viereck tauchte ein Schatten auf und verschwand wieder.
„Olivaro scheint schon da zu sein, aber wer weiß…", sagte Dorian. „Es ist besser, du bringst uns im schnelleren Zeitablauf in die Zitadelle, Coco."
Coco ergriff wortlos Dorians Hand. Die Umgebung erstarrte. Die gerade noch wallenden Nebel wurden zu bizarren, wie glasierten Gebilden.
Mit Dorian an der Hand setzte sich Coco in Bewegung. Sie setzen über die Brücke, erreichten das Tor. Die Nebelfetzen schlugen ihnen wie Glassplitter ins Gesicht.
Sie kamen durch den Torbogen, wandten sich nach links zum Wächterhaus. Dahinter lag der Turm. Hoch über ihren Köpfen war immer noch das Fenster erleuchtet. Coco erreichte den Turmeinstieg, das schwere Holztor schwang behäbig auf. Dorian drängte sich an Coco vorbei und eilte den Stiegenaufgang voran. Um sie war völlige Dunkelheit. Erst beim zweiten Treppenabsatz fiel von oben schwacher Lichtschein. Im nächsten Turmgeschoß gab es zwei Kammern, und von hier führte nur eine Holzleiter zu einer Luke hinauf, durch die das Licht fiel.
Nun übernahm Coco die Führung. Sie erklomm die Leiter als erste und verlor Dorian aus dem Zeitfeld - für den Dämonenkiller war sie von einem Moment zum anderen verschwunden. Als er die Luke erreichte und den Kopf durchsteckte, atmete er erleichtert auf.
Er sah nur Coco und einen Mann.
„Olivaro!" sagte er zufrieden. Der Januskopf war allein gekommen.
Olivaro saß hinter einem wackligen Tisch aus rohem Holz. Darauf stand ein dreiflammiger Kerzenhalter. Daneben lagen altertümliche Schreibutensilien nebst einem bauchigen Tintenfaß, aus dem ein Federkiel ragte.
Olivaro trug eine einfache spanische Tracht. Er zeigte dasselbe Scheingesicht, mit dem er Dorian schon bei ihrem ersten Zusammentreffen in Hongkong entgegengetreten war. Seine sinnlichen Lippen waren leicht geschürzt, der Mund bildete ein erstauntes O.
„Ich habe euch nicht so früh erwartet", sagte er.
„Und wir haben kaum damit gerechnet, dich wirklich hier zu treffen", sagte Coco.
„Wieso? Hat sich Izquierdo irgendwie verdächtig benommen?"
Coco winkte ab.
„Wir waren eben nur mißtrauisch. Kommen wir zum Thema."
Olivaro lächelte. „Du meinst Martin, euren Sohn. Ich verstehe deine Ungeduld, Coco. Aber ich kann dich beruhigen, Martin ist wohlauf."
„Hast du ihn entführt?" fragte Dorian.
„Setzt euch erst einmal." Olivaro deutete auf zwei verwitterte Holzstühle. Nachdem Dorian und Coco Platz genommen hatten, fuhr er fort: „Von einer Entführung kann wohl keine Rede sein. Ich habe die Gelegenheit genutzt und in dem Baphomet-Tempel den Kinddämon und Martin an mich genommen. Ich habe sie hierher nach Galicien gebracht. Sie befinden sich in guter Gesellschaft - in einer Kindergemeinschaft. Dort ist Martin vor allen schädlichen Einflüssen sicher."
„Das sagst du, obwohl Baphomet bei ihm ist!" sagte Dorian anklagend. „Wieso hast du Martin nicht von dem Kinddämon getrennt?"
„Das ist im Augenblick noch nicht möglich", sagte Olivaro bedauernd.
„Und wieso nicht?“ fragte Dorian angriffslustig.
„Auch wenn es dir nicht gefällt, Dorian, so übt Baphomet auf Martin einen starken Einfluß aus. Und du weißt, daß er es auf seinen Körper abgesehen hat. Solange Martin in seiner Reichweite und er sich seiner sicher ist, wird Baphomet alles tun, Martin zu beschützen. Aber ich möchte nicht daran denken, was Baphomet mit
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