132 - Die Seelenfänger
natürlich jede Menge Hänseleien gefallen lassen, aber er war einfach nicht dazu zu bewegen, das Hotel zu verlassen. Über den Grund klärte er seine Freunde nicht auf, und Dorian und Coco schwiegen ebenfalls.
„Eigentlich kommt es einem Selbstmord gleich, um diese Jahreszeit zu tauchen", sagte Dorian zum Abschied zu Coco. „Das Meer hat nicht viel mehr als zehn Grad. Aber was tut man nicht alles…" Coco hatte sich von Ramon Loyola ein Taxi bestellen lassen. Eine halbe Stunde später fuhr es vor. Sie bat den Fahrer, noch einige Zeit zu warten, was dieser mit dem Hinweis auf das laufende Taxameter und einem Schulterzucken akzeptierte.
Coco wartete darauf, daß Maria kam. Sie hatte ihr den posthypnotischen Befehl gegeben, sich wieder hier einzufinden. Coco erhoffte sich von dem Mädchen einen Hinweis, wie der Fluch zu bannen war. Als Betroffene mußte Maria irgend etwas wissen.
Um sich die Wartezeit zu verkürzen, konzentrierte sie ihre Gedanken auf ihren Sohn…
Mutter! Du solltest mich doch in Ruhe lassen.
„Ich sorge mich um dich, Martin", murmelte sie laut vor sich hin.
Mir geht es doch gut. Ich habe gut geschlafen. Nur einmal bin ich aufgewacht und habe durch mein Fenster ein Licht gesehen. Es war ein schöner Anblick.
Weißt du schon, wie der Ort heißt, an dem du bist?
Ma, bitte! Du sollst das nicht fragen. Ich darf darüber nicht sprechen. Wer sagt das? Dein Freund Theo? Nicht nur er. Auch Mutter…
Wen meinst du damit? Will man dir einreden, daß jemand anders als ich deine Mutter ist?
Nein, das ist ganz anders. Ich kann es dir nicht sagen. Bitte, mache es mir nicht schwer. Du mußt mir helfen und darfst mich nicht zum Petzen verleiten. Machen wir Schluß, bevor die anderen Kinder mißtrauisch werden.
Coco war klar, daß er mit „andere Kinder" niemand anderen als Theo meinte, den Kinddämon Baphomet, zu dem Skarabäus Toth geworden war.
„Das wirst du mir büßen, Toth!" flüsterte sie haßerfüllt.
Sie spürte, wie Martin sich vor ihr abkapselte und unternahm keinen weiteren Versuch, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Es beruhigte sie, zu wissen, daß er sich wohlauf fühlte.
„Kann ich etwas für Sie tun, Senorita?"
Coco schreckte aus ihren Gedanken, als sie das schwarzgetupfte Gesicht des buckligen Portiers vor sich sah, das aussah, als hätte jemand eine Schrotladung hineingeschossen.
„Nein, danke. Das heißt… "
„Ja, Senorita?"
Coco hatte den Buckligen nach dem Fluch fragen wollen, aber dann sah sie hinter ihm Maria auftauchen. Das Mädchen trat in die Hotelhalle. Plötzlich aber erschrak sie, machte kehrt und lief wieder ins Freie. Coco sah sie in Richtung des Kiefernwäldchens entschwinden.
„Es ist nichts", sagte sie zu dem Portier und verließ das Hotel. Der Taxifahrer lehnte bequem im Fahrersitz und sang zu einer Melodie aus dem Autoradio.
„Fahren Sie los", verlangte Coco und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. „Folgen Sie dem Mädchen. "
Der Fahrer war so überrascht, daß er gar nicht erst aufbegehrte. Als er den Wagen wendete und auf den holprigen Weg fuhr, der sich zwischen den Kiefern schlängelte, sah Coco den buckligen Ramon Loyola im Eingang des Hotels stehen.
Der Taxifahrer fuhr so schnell, als sei der Teufel hinter ihm her. Nach dreihundert Metern holten sie Maria ein. Sie wollte seitlich ausbrechen, aber als sie Coco ihren Namen rufen hörte, blieb sie stehen, drehte sich um und kam mit abgehakten Schritten, wie eine Marionette ohne eigenen Willen, zum Wagen. Sie stand unter Cocos Hypnose.
Coco stieg aus, öffnete die hintere Tür und ließ Maria einsteigen. Coco setzte sich neben sie.
„Nach Vigo", trug sie dem Fahrer auf. „Aber lassen Sie sich Zeit."
„Zu Diensten, ganz zu Ihren Diensten, Senorita", sagte der Fahrer.
„Wovor bist du aus dem Hotel geflohen, Maria?" erkundigte sich Coco.
„Der Mann, der Bucklige…", begann Maria, brach aber sofort wieder ab.
„Ramon Loyola?" fragte Coco. „Was ist mit ihm?"
„Heißt er so… Ramon Loyola?" Maria fröstelte. „Ich kenne seinen Namen nicht. Aber als ich ihn plötzlich vor mir sah, da bekam ich Angst. Auf ihn paßt die Beschreibung, die Fernando von dem Mann gegeben hat, der ihn auf das Geisterschiff anheuerte."
Maria krümmte sich plötzlich und begann zu schluchzen.
Coco überlegte sich kurz, ob sie sofort wieder umkehren und Ramon Loyola zur Rede stellen sollte. Aber das konnte sie nach ihrer Rückkehr immer noch nachholen. Sie war sicher, daß der Portier mehr wußte, als sie
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