132 - Dr. Frankensteins unheimliches Labor
Soho-Theater in London.
Dr. Frankenstein hob ruckartig den Kopf und ließ Kunaritschew unbeaufsichtigt
zurück. Er kümmerte sich um die Neuankömmlinge, die sich verwirrt umsahen und
nicht begriffen, wo sie waren und was dies alles zu bedeuten hatte. Dies war ein Traum und alles andere als die Wirklichkeit. Dr.
Frankenstein tauchte wie ein Schatten hinter ihnen auf. Er verpasste ihnen die
Injektionen, die sie kraft- und hilflos machten und alle ihre Sinne betäubten.
„Wunderbar!“, freute der Hagere mit dem
schütteren Haar sich. „Bei dieser Auswahl kann eigentlich nichts mehr schief
gehen.“ Nach diesen leise gemurmelten Worten wandte er den Kopf und rief nach
hinten in den dämmrigen Halbschatten des unheimlichen Labors. Dieser scharfe,
zischende Laut bewirkte, dass sich aus einer Nische eine Gestalt löste, groß,
breitschultrig, mit affenartig langen Armen und quadratischem Schädel. Die Haut
war fahl, die Stirn unterhalb des schwarzen, flach anliegenden Haares übersät
mit dicken hervorquellenden, senkrecht stehenden Narben. Sie hoben sich
feuerrot von der Leichenblässe der Haut ab. Frankensteins Monster kam
schwerfällig und mit roboterhaften, leicht taumelnden Bewegungen näher.
„Schaff sie in die Kammer und hilf mir dann,
den Neuen in die Wanne zu legen“, verlangte Dr. Frankenstein.
Das Monster gab ein leises, tierisches
Knurren von sich. Es richtete seine wässrigen Augen auf die beiden betäubten
Gestalten, bückte sich, packte sie an den Armen und hob sie ohne besondere Mühe
hoch. Er schleifte die Bewusstlosen durch das Labor in einen kahlen,
schmucklosen Raum, der mit einem Gittertor versperrt war. ln der Kammer lagen
schmutzige Matratzen, auf die er die Ohnmächtigen warf. Dann fiel klirrend das
eiserne Tor ins Schloss, und das Monster drehte zweimal den Schlüssel herum.
Die unheimliche Gestalt wie aus einem Gruselfilm wandte sich ab und verschwand
wieder in der dunklen Nische. Dort war sie nicht allein.
Der Nische schloss sich eine zweite Kammer
an. Sie war einfach, aber wohnlich eingerichtet. In ihr gab es einen Tisch,
zwei große ausladende Sessel mit weicher, dicker Polsterung und ein breites
französisches Bett. Auch die Wände waren nicht kahl, farbige Stiche hingen
daran ... Ansichten französischer Landschaften aus dem frühen Mittelalter. Die
Erklärungen darunter waren ebenfalls in französischer Sprache gehalten. In der
fensterlosen Kammer, die vom Lichtschein dreier Kerzen dämmrig erhellt wurde,
befand sich eine junge Frau. Sie lag reglos und wie schlafend auf dem Bett. Es
war- Petra Mahler, jene junge Deutsche, die mit ihrem Freund in dem einsamen
Haus am Meer übernachtet hatte und in die Klauen des Monsters und seines
Schöpfers geraten war. Das Frankenstein-Monster näherte sich dem Lager der
Schlafenden. Seine langen, bleichen Finger streckten sich nach der Schläferin
aus und führen durch das dichte, weiche Haar. Der Unheimliche grunzte zufrieden
und ließ seine großen, ungeschlachten Hände über Petra Mahlers Körper gleiten.
„Du wirst hier gebraucht“, ertönte die Stimme
von Dr. Frankenstein aus dem Hintergrund. „Los, pack mit an!“
Dem Mann im weißen Kittel war der vollbärtige
Russe doch zu schwer. Allein schaffte er es nicht, ihn in die Wanne zu hieven.
Als der ungeschlachte Mensch mit dem eckigen Schädel, den wässrigen Augen und
den angenähten Gliedmaßen aus Leichenteilen aufkreuzte, blickte Dr.
Frankenstein ihn vorwurfsvoll an. „Ich habe versprochen, dir eine Partnerin zu
schaffen. Das werde ich tun. Sie aber...“ Und damit deutete der Sprecher in die
Richtung, wo die Kammer lag, in der Petra Mahler gefangen gehalten wurde,
„gehört mir! So wie sie ist. Ich will keine Marionette, ich will sie ganz als
Frau mit Leib und Seele und Geist, und zwar soll sie aus freien Stücken bei mir
bleiben.“ Er kicherte. „Ohne Zwang ... Der Anfang ist gemacht. Sie weiß, wo sie
ist und was aus ihr wird, wenn sie sich mir widersetzt. Dann hat sie
ausgespielt. Ich habe ihr Vertrauen gewonnen ... Deine Partnerin wird anders
sein. Sie wird genau zu dir passen.“ Er deutete auf den nackten Frauenkörper,
der sich in dem gläsernen, hochkant stehenden, eckigen Gefäß befand. „Die
Narben sind kaum noch zu sehen", fuhr Dr. Frankenstein mit leiser Stimme
und leuchtenden Augen fort. „Du hast ihren Körper gesehen, wie er nach dem
Unfall aussah Ich hatte aus ihrem Grab alles geholt, was ich reparieren konnte.
Nur der Kopf ist nicht wieder verwendbar ... und
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