1321 - Das Haus der Schatten
Kreuz. Es gab ebenso wenig einen Schatten wie ich selbst. Jede Helligkeit hier war künstlich und völlig schattenlos.
Linda Stone war der Schatten geraubt worden. Mir nicht, denn das hätte ich bemerkt. Ich überlegte, ob ich jeden Raum durchsuchen sollte. Dazu kam es nicht, denn ich wurde abgelenkt, weil doch etwas passierte.
Um mich herum veränderte sich das Licht.
Es dunkelte ein!
Zwei, drei Sekunden brauchte ich, um es zu begreifen, da war meine Sicht schon nicht mehr so gut wie zuvor. Wie das möglich war, fand ich nicht heraus. Hier wurden keine Lampen gedimmt, es war eine selten fremde Dunkelheit, die mich zunächst umgab. Sie war gestaltlos und gleichzeitig hatte sie so etwas wie ein Aussehen.
Wenn man einen Vergleich ziehen wollte, konnte man sie als Nebel bezeichnen. Dünn, dabei recht wolkig und zugleich in die Länge gezogen. Ein Nebel, der mich von allen Seiten erwischte, und den ich auch spürte, weil er kalt war. Ich brauchte den Vergleich nicht zu scheuen, dass die Dunkelheit auf meiner Haut klebte wie irgendein schmieriges Fett.
Auf der Stelle drehte ich mich um. Der Blick in die entgegengesetzte Richtung zeigte mir das Gleiche. Der Gang wuchs allmählich in der Dunkelheit zu, die von Sekunde zu Sekunde an Intensität gewann und ihre graue leichte Durchsichtigkeit verlor.
Ich ergriff nicht die Flucht, aber für mich stand fest, dass diese Finsternis nicht mit normalen Gesetzen zu erklären war. Sie wurde geschickt, und zwar von einem mächtigen Dämon, der sie beherrschte und sich in ihr wohl fühlte.
Ich wartete auf den Spuk!
Nur er konnte diese Finsternis bringen. Nur er fühlte sich darin wohl, und man konnte es auch anders sehen. Der Spuk war die Dunkelheit. Er war ein Teil von ihr. Er war der Mittelpunkt und zugleich auch die Zentrale.
Und er sorgte dafür, dass die Dunkelheit noch intensiver wurde.
Das Licht, das ich hier erlebt hatte, verschwand mehr und mehr. Ich musste erleben, wie die Helligkeit aufgefressen wurde. Das hier hatte auch nichts mit dem normalen Herannahen der Dämmerung zu tun, denn hier wurde nichts abgelöst, sondern vernichtet.
Und sie brachte noch etwas mit, was auch typisch für sie war – Kälte! Eine böse, eine schleimige Kälte, die mich wie mit langen Armen umschlang.
Die Dunkelheit war mein Feind, wenn man es genau nahm.
Dennoch tat ich nichts, um mich dagegen zu wehren. Wenn ich jetzt zur Treppe gegangen wäre, hätte ich mich schon hintasten müssen, denn die Finsternis war dabei, alles zu beherrschen.
Sie legte sich auf mein Gesicht. Ich spürte sie an der Haut. Da stimmte schon der Vergleich mit einem klebrigen Ruß oder Nebel, der sich festgelegt hatte. Wenn ich die Luft einatmete, die es trotzdem noch gab, dann hatte ich das Gefühl, dass sie in meine Kehle eindrang und durch die Luftröhre bis tief hinein in meinen Körper glitt, um sich dort noch weiter ausbreiten zu können.
Ich hielt das Kreuz noch in meiner rechten Hand. Sie bewegte ich und auch die linke. Es gab keinen richtigen Widerstand, dafür sorgte schon kein festes Hindernis. Dennoch kam es mir vor, als wäre die Dunkelheit existent, und da musste ich wieder an den Nebel denken.
Ich war nur einen Schritt nach hinten gegangen, um die Wand im Rücken zu spüren. Mit meinen Sinnen konnte ich noch etwas erfassen, abgesehen von den Augen. Zugleich aber hatte ich Probleme mit dem Gehör. Wenn ich mich selbst leicht räusperte, hörte sich das anders an als im Normalfall. Alles klang gedämpfter.
Ich glaubte auch, einen Laut oder einen Schrei aus dem unteren Bereich zu hören. Das erinnerte mich an Linda Stone und Bill Conolly. Die beiden hätten fliehen sollen. Jetzt war es zu spät. Der Spuk hatte seine Grenze überschritten.
Er kam nicht nur, er war schon da, und ich wartete darauf, dass er sich bei mir meldete.
Er war kein Mensch, aber er konnte sich verständlich machen, und das auch als amorphes Wesen. Das kannte ich aus Erfahrung, und ich wartete darauf, dass sich der Spuk zeigte, denn er brachte nicht nur die Dunkelheit, sondern auch die Glut!
Zwei rote Augen bewiesen mir, dass auch in ihm so etwas steckte, an dem sich ein Mensch halten konnte.
Ich sah inzwischen nichts mehr. Auch nicht die berühmte Hand vor Augen. Es war alles nur stockfinster. Von allen Seiten hielt mich die Dunkelheit umklammert, sie gab mir nicht die Spur einer Chance, etwas zu erkennen.
Auch hatte sie die klamme Kälte mitgebracht, die mich nicht losließ. Sie engte mich ein, und ich empfand sie
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